Früher, während meiner Zeit als Angestellte, bin ich in meinem Urlaub immer gerne durch die ganze Welt gereist. Klar, einerseits wollte ich natürlich dem mitteleuropäischen matschig-nass-kalten Winter entkommen und mir die lichtarme Zeit im sonnigen Süden verkürzen.
Anderseits hatte die Abwechslung zu meinem sonst sehr stressigen und durchgetakteten Arbeitsalltag ohne viel Freiraum zum Luft holen und für neue Eindrücke natürlich auch immer einen Touch von Freiheit und Abenteuer.
Und so fand ich es auch immer sehr bereichernd aus erster Hand zu erleben, wie Menschen in anderen Ländern leben. Wobei er-leben meistens im Wortsinn als sinnhaftes Er-Lebnis zu verstehen war, denn meistens waren alle Sinne zu dessen Wahrnehmung gefordert:
Die Ohren vernahmen fremd anmutende Töne und Klänge, was manchmal Musik war, manchmal auch nie zuvor gehörte Insekten, häufig aber auch Unmengen an Verkehrslärm.
Die Augen erfreuten sich an blauem Himmel, weißem Strand und azur-farbenen Wasser, alternativ an den bunten Farben der Kleidung der Einheimischen.
Etwas ambivalent waren häufig die Eindrücke für die Nase – einerseits der großstädtische Gestank viel genutzter zweigetakteter Volks-Fahrzeuge, andererseits der intensive Geruch beim Besuch der einheimischen Märkte – mancherorts waren Kühlschränke Luxus, und so durchzog ein deutlich wahrnehmbarer Geruch von getrocknetem Fisch, frischen Obst oder frischen Gewürzen die Luft…
Gleichzeitig kitzelten die frischen Früchten und Gewürzen aus der Küche des Reiselandes auch den Gaumen – was diesen erfreute, manchmal aber auch den Montezuma reizte.
Nicht zu vergessen natürlich die urlaubsmässige Laisser-faire-Mentalität mit der ich heute hier und morgen dort die Tage spontan nach Lust und Laune verbringen konnte, sofern ich nicht der Meinung war, irgendwo ein toughes Programm von soundso-vielen Tauchgängen absolvieren zu müssen.
Urlaub – ist mehr als Abenteuer
Genug der Erinnerungen – denn wie ich bereits hier erwähnte, hat alles seine Zeit.
Die Reisen ermöglichten mir – neben der Möglichkeit Sonne zu tanken und den trüben Winter besser zu überstehen – natürlich auch vielfältige Einblicke und Eindrücke in das Leben der Bewohner meines Reiselandes.
Vor allem aber ermöglichten sie mir auch immer mal wieder die Erkenntnis, wie gut es uns hier in Deutschland eigentlich geht, was mich dann immer sehr mit Dankbarkeit erfüllte.
Allerdings immer nur so lange, bis ich wieder in meinem Arbeitsalltag angekommen war und in diesem wieder versank. Denn dann waren all die Sinneswahrnehmungen wieder in weiter Ferne und die Erinnerungen nur noch auf Fotopapier (bzw. nach dem Einsetzen der Digitalfotografie sogar nur noch im Datenarchiv). Es dauerte allerdings noch ein paar Jahre (die mich natürlich nicht davon abhielten, im Winter weiter zu verreisen), bis ich herausfand, warum das so war.
Denn wie mir mittlerweile bewußt ist – so schön, erlebnis- und erfahrungsreich diese Urlaubsreisen auch immer gewesen waren: Als eine wichtige, wenn mir damals auch unbewußte Motivation für die Reisen war damals immer eine gewisse Sehnsucht mit im Spiel (und im Gepäck) gewesen. Vordergründig sicherlich eine Sehnsucht nach Neuem, nach Abenteuer, nach Erholung genauso wie nach Ausgleich oder Belohnung zu meinem stressigen Job.
In den wenigen wirklich ruhigen Momenten auf diesen Reisen, in denen mein Bewußtsein nicht durch reisebedingte „äußere Einflüsse“ abgelenkt war, gelang es gelegentlich meiner inneren Stimme, sich Gehör zu verschaffen. Das waren dann die Momente, in denen mir Gedanken kamen wie „in was für einem Film lebe ich eigentlich gerade?“ (wobei mit ‚gerade‘ mein für mich normaler Alltag gemeint war) und „kann denn das (der Alltag) schon alles sein“.
Tief in mir drin wurde also eine zunehmend stärkere Sehnsucht in mir offenbar, die für mich lange nicht greifbar war. Was sehnte ich mir herbei? War es etwas (oder jemand?), um eine innere Leere tief in mir drin zu füllen? War es der Wunsch meiner inneren Stimme, gehört oder gar die Sucht, ge-seh(e)n zu werden?
Heute weiss ich, dass ich auf all diesen Reisen tief in mir drin den Wunsch hatte, etwas in meinem Leben zu verändern – ohne dass ich jedoch im Alltag dafür etwas getan oder anders gemacht hatte als zuvor. Gleichzeitig war es die Suche nach etwas, was mir und meinem Leben einen ‚echten‘ Sinn gab und mich erfüllte – ohne aber mich in meinem Alltag für so etwas (Neues) zu öffnen.
Ich weiss heute außerdem, dass meine Innere Stimme in den verschiedenen ruhigen Momenten am Meer mich genau auf diese Notwendigkeit für eine solche Öffnung und Veränderung hinweisen wollte. Leider musste ich ein- oder zwei Mal in einen Burnout geraten, um die Bereitschaft dafür (und fürs Hinhören) auch tatsächlich zu entwickeln und eine Veränderung in meinem Leben vorzunehmen.
Heute brauche ich keine Fernreisen mehr (auch wenn ich mich zugegebenermaßen immer noch schwer tue, mich mit dem mitteleuropäischen Winter anzufreunden). Denn heute kann ich auch die kleinen Wunder des Alltags als Abenteuer betrachten und den ‚Sinn‘ meines Lebens in mir selbst finden. In Kontakt mit meiner inneren Stimme kann ich ohnehin auch auf meiner Couch kommen…
Interessanterweise ist das Wort Sehnsucht oder Sehnen verwandt mit der anatomischen Sehne, also jenem bindegewebigen Teil des Muskels, durch den dieser mit einem angrenzenden Knochen verbunden ist.
Rein anatomisch betrachtet wird also durch die Sehne, also dem Muskelansatz selbiger aktiviert, quasi als ein Bewegung ausführendes Organ oder Körperteil.
Ich finde, dies ist eine spannende Analogie, wenn die Sehne am Anfang einer Bewegung steht und als deren Auslöser steht. Denn ist es nicht gerade, die Sehnsucht nach etwas, die uns veranlasst, in Aktion zu treten, und eine Veränderung zu bewirken?
Die Fenster der inneren Stimme
Wonach sehnen Sie sich? Fragen Sie Ihre innere Stimme – und fürchten Sie sich nicht vor den „stillen Momenten“ in Ihrem Leben, sondern schätzen Sie sie. Denn genau diese sind die „Fenster“, in denen Ihre innere Stimme mit Ihnen kommunizieren möchte.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen erfolgreiches und erfülltes Finden…
Schlagwörter: Besinnung, Bewegung, Burnout, Leben, Sinn, Stille, Stimme, Suche