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Ganz einfach ich sein!?

16 Nov

In ihrem Newsletter beschrieb Karin Wess ihren ganz normalen und vor allem unperfekten Tag – und lud gleichzeitig ihre (vorwiegend) Leserinnen dazu ein, sich ebenfalls der Welt zu zeigen wie man sei. Nun denn:

Schon als Kind durfte ich mir ziemlich häufig anhören, wie anders als andere Kinder ich sei: „Sei doch nicht so ein Stubenhocker, geh doch lieber zum Spielen zu den anderen Kindern nach draußen“. Doch anstatt dass ich draußen Gummi-Twist oder Fangen spielte, löste ich lieber Kreuzworträtsel, spielte Schach, Stadt-Land-Fluß oder puzzelte. Es machte mir einfach mehr Spass.

Neben diesen ganzen analytischen Dingen war ich aber auch noch unheimlich gerne kreativ. Im zarten Alter von 10 Jahren schrieb ich damals auf der Reiseschreibmaschine mit zweifarbigem Farbband, die ich von meiner Oma geschenkt bekam, meinen ersten Krimi. OK, ein Bestseller wurde es nie, denn über Auflage 1 kam das ganze nicht hinaus. Ich malte und bastelte gerne, phasenweise versuchte ich mich auch mit klassischen Handarbeiten wie Häkeln, Stricken oder Nähen. Das Malen war sicherlich meine erfolgreichste „Disziplin“, denn ich gewann sogar einige Malwettbewerbe.
Zumindest bis ich etwa 12 war, denn dann war die Bandbreite an Dingen, die man tun konnte und an denen ich auch (fast) allen Spaß hatte, so groß, dass ich im Durchschnitt versackte.

Der Universal-Dilettant

Aber so vielseitig wie damals bin ich auch noch heute, was sich auch an meinem nicht besonders geradlinigem Lebenslauf zeigt. Auf Anraten meiner Eltern (es sollte halt was Solides sein) habe ich ursprünglich Wirschaftsingenieurwesen studiert, oder wie mein früherer Arbeitskollege sagte, ich wäre „Universal-Dilettant“ – also einer der alles kann, aber nichts richtig. So war ich zunächst eine ganze Weile in der Zahlen-Daten-Fakten-Fraktion in der Industrie tätig, merkte aber bald, dass mir irgendetwas fehlte. So machte ich berufsbegleitend einige Ausbildungen im Bereich Massage und als Heilpraktikerin, um etwas Abwechslung in mein Leben zu bringen. Und später machte ich noch eine Ausbildung als Pilgerbegleiterin und studierte Spirituelle Theologie und schreibe Bücher – was zwar irgendwie den Eindruck vermittelt, dass es alles nicht zusammen passt, aber eben doch alles mit mir zu tun hat.

Schon seit Beginn meiner Selbständigkeit beschäftige ich mich nun also mit der Fragestellung: „Worin bin ich Expertin und welches ist meine Nische?“ Nachdem ich nicht nur ein „Volltischler“ bin (also einer, dessen Schreibtisch gerne mit Zetteln vollgeräumt ist), sondern auch ein Multitasker, der gerne Hundert Sachen und Projekte parallel macht, tat ich mich mit dieser Frage immer besonders schwer. Deshalb buchte ich immer wieder mal Coachings, um mich zu focussieren – nur um festzustellen, dass es mir nicht wirklich gelang, da ich immer wieder das Gefühl hatte, den einen oder anderen Teil von mir abzuschneiden.

Genauso ging es mir auch, nachdem ich aus dem Großkonzern, für den ich lange arbeitete, ausgeschieden war – auf einmal brauchte ich eine neue Herde. Als ich auf der Suche war nach Menschen, mit denen ich Räumlichkeiten teilen konnte. Wenn ich vor Gruppen von mir Unbekannten einen Elevator-Pitch halten soll.

Heute habe ich gelernt, dass man zu so vielseitig interessierten Menschen auch „Scanner-Persönlichkeit“ sagt. Das beruhigt mich sehr, weil es mir nach den ganzen „Etiketten“ wie man (ich) zu sein hätten nun endlich eine Art Legitimation zu geben scheint, dass es in Ordnung ist, ganz einfach so zu sein, wie ich bin. Das hab ich mittlerweile begriffen. Aber nicht gelungen ist es mir bisher, herauszufinden, wie man das alles in einen 40-Sekunden-Elevator Pich verpackt, wenn man die Menschen nicht kennt und nicht weiss, was am ehesten  ihre Anknüpfungspunkte sein könnten…

#ganzeinfachich

Wobei, so ganz einfach ist es halt doch nicht, vor allem nicht für meinen Liebsten. Denn meine Volltischler-Natur zeigt sich nicht nur auf dem Schreibtisch, da gehört schon manchmal viel Toleranz dazu. Vor allem, wenn ich sportlich-schimpfend im Auto unterwegs bin (klar, natürlich können immer nur die anderen nicht Autofahren 🙂 ) oder wenn wir in der ganzen Wohnung die Kaffee- und Teetassen zusammen suchen müssen, weil ich in jedem Zimmer eine hab stehen lassen. Gelegentlich kommt es auch mal vor, dass ich vor lauter Paralleltätigkeiten die extra ausgedruckten Zettel auf dem Drucker liegenlasse oder den Mittagssnack, den ich aus dem Kühlschrank genommen hatte, um ihn ins Büro mitzunehmen.

Doch auf der Suche nach meiner Herde: Was für ein Vogel bin ich? Kein reiner Heilpraktiker, kein reiner Unternehmensberater, kein … Dafür eine einzig-nicht artige Christina…

#ganzeinfachich – großartig!

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Unterwegs…

25 Jul

Pilgern stammt vom lateinischen Wort peregrinus (oder peregrinari, in der Fremde sein) ab, was Fremdling bedeutet. Im Kirchenlatein wird es als pelegrinus abgewandelt, und bezeichnet es eine Person, die aus religiösen Gründen in die Fremde geht, d. h. zumeist zu Fuß eine Wallfahrt zu einem Pilgerort unternimmt.* (Quelle: Wikipedia)

Für vielen Menschen hat das Pilgern eine ein wenig seltsame oder eigenartige Anmutung, denn ist es nicht eine Form des (zumindest vorübergehenden) Aufgeben der Heimat (und auch eines Großteils des Hab und Gutes)? Für jemanden, der unfreiwillig seine Heimat oder sein Obdach verloren hat, ist es also eher unverständlich, dieses freiwillig zu tun. 

Ja, gewiss ist für den modernen Pilger sicherlich auch eine Menge Lust auf Abenteuer ausschlaggebend, für manche (die 800 km Jakobsweg mit dem Rad in 1 Woche absolvieren) ggf. auch sportlicher Ehrgeiz. Für die meisten Menschen ist Pilgern aber auch eine Ausdrucksform der Hoffnung – früher nach Sündenablass oder nach Gebetserhöhrung in Bezug auf ein bestimmtes Anliegen und auch heute immer noch nach Heilung. 

Worin besteht die Heilung – oder in der Langform des Wortes: Heil-Werdung? Worauf hofft der moderne Pilger? Oder wo nach sucht er? Was fehlt denn den pilgernden Menschen, von denen viele in finanzieller Hinsicht alles hatten oder haben, wovon Millionen andere nur träumen?

„Manchmal wird uns der Wert der Dinge erst dann bewusst, wenn wir auf sie verzichten müssen.“  (Walter Reisberger)

Tja, meist sind es wohl die unbezahlbaren Dinge, die fehlen, und so sind letztendlich viele Pilger auf der Suche – nach dem Sinn des Lebens oder nach sich selbst. 

Denn auf dem Pilgerweg interessiert es normalerweise keinen, womit man „im normalen Leben“ sein Geld verdient, sondern es interessiert die Mitpilger, WO man herkommt und warum man auf dem Weg ist. Und WER man IST.

Ist es nicht ein besonderer Luxus, der uns da beim Pilgern vergönnt ist: Einfach nur SEIN zu dürfen – wo kann man das denn schon tun? Im Alltag identifizieren wir uns doch sehr häufig mit unserer beruflichen Tätigkeit oder mit unserem Besitz, also Haus, Auto, Familie (meist in der Reihenfolge…) Es zählt also vorwiegend nur, was man TUT oder was man HAT.

Also ist es unterwegs eben doch ein Vorteil, in der Fremde zu sein, nämlich  dass einen niemand kennt. Man kann sich also geben, wie man ist. Das heißt SEIN, wer man wirklich IST.

Wieso kann man das zu Hause (d. h. da wo einen jeder kennt) eigentlich nicht? Liegt es nicht vielleicht daran, weil das bekannte Umfeld einen in gewisser Weise kennt und entsprechende Verhaltensweisen erwartet (aber Erwartungen ist ein anderes Thema). 

Ob Sie sich nun auf den Pilgerweg begeben wollen oder können oder nicht: Die interessante Frage ist meiner Meinung nach, WIE man das ganze denn zu Hause umsetzen kann … Am einfachsten geht es meiner Meinung nach durch Ausprobieren. Also, SEIEN Sie doch einfach mal. Am besten Sie selbst.

Ultreya!*

*(aufmunternder, mutmachender Gruß auf dem Jakobsweg bedeutet so viel wie „Vorwärts! Weiter!“ oder auch „Guten Weg“)

Karneval – Und welche Rolle spielen Sie?

3 Mär

Helau und Alaaf, es ist wieder Karnevalssaison! Die Zeit der Narren, Faschings-Prinzen und -prinzessinnen, der großen und kleinen Harry Potters und seiner Kollegen, von Männern mit blondzöpfigen Perücken oder auf andere Art verkleidete Faschingsfreunde. 

Wie steht es mit Ihnen – sind Sie auch dabei, wenn es demnächst wieder ans Feiern geht? In welche Rolle schlüpfen Sie in diesem Jahr? Lassen Sie es auch so richtig krachen, auf dass der Kater sich erst am Aschermittwoch vertreiben lässt? Und mit dem Kater sich manchmal der Katzenjammer blicken lässt – vor allem dann, wenn sich herausstellt, dass die hübsche blonde Prinzessin im wahren Leben  doch eher einer grauen Maus gleicht oder der bildhübsche Latin Lover eher verwandt mit Spargel-Tarzan ist als mit Julio Iglesias? 

Oder gehören eher Sie zu der Fraktion derjeniger, die der Meinung sind, im „normalen Leben“ ohnehin schon genügend Rollen besetzen zu müssen? Nein, die Rede ist nicht von Schizophrenie – ich meine die ganz normalen Rollen des Alltags: 

Die meiste Zeit des Arbeitstages verbringen die meisten Menschen vermutlich in der Rolle als Arbeitnehmer/in, Schüler/in oder Student/in, Mitarbeiter/in oder Kolleg/in oder manche Menschen auch als Chef/in.

Und findet man sich nicht innerhalb seiner Familie ganz automatisch – natürlich je nach Alter und Geschlecht – in den verschiedenen Rollen als Sohn, Bruder, Ehemann bzw. Partner, Vater oder Opa oder frau als Tochter, Schwester, Mutter, Oma, Ehefrau bzw. Partnerin?

Und dann gibt es natürlich noch die unterschiedlichen Situationen, in denen wir Nachbar oder Gast sind, Freund bzw. Freundin, Kunde oder Kundin, oder ganz einfach auch mal Sitznachbar in der S-Bahn sind. 

Verhalten Sie sich in all diesen Szenen Ihres Lebens gleich? Wie oft und wie gerne spielen Sie all diese verschiedenen Rollen? Gibt es eine, in der Sie sich besonders wohl fühlen? Oder fühlen Sie sich in der einen oder anderen Rolle doch eher unbehaglich und nicht wohl?
Ja, genau, gibt es eine oder mehrere Ihrer unterschiedlichen Rollen, die Ihnen überhaupt gar nicht entspricht? Haben Sie sich mal überlegt warum das so ist? Liegt es möglicherweise den unterschiedlichen Gewichtungen der Faktoren wie Spass, Verantwortung und Austoben-Können der verschiedenen Rollen?

Oder passiert es Ihnen auch ab und zum mal, dass Sie sich mal in Ihren Rollen vertun? Dass Sie zum Beispiel von Ihrer täglichen Arbeit nach Hause kommen und Ihrer Familie immer noch als „die Lehrerin“ begegnen anstatt als Mutter bzw. Ehefrau oder Ihre Kinder so anreden wie Ihre Kollegen auf der Baustelle?

Das sind natürlich ziemlich extreme Beispiele, aber sie sollen verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass wir uns zwischendurch immer wieder mal bewusst machen, in welcher Rolle wir uns gerade befinden bzw. ob unsere derzeitige Rolle dem Umfeld angemessen ist. Natürlich kann es passieren, dass wir versehentlich einmal die falsche Rolle annehmen, aber die Reaktionen unseres Gegenübers zeigen uns dies häufig sehr schnell. Und dann heisst es: Raum verlassen, 3x tief durchatmen oder 2x um die eigene Achse drehen, was auch immer Ihnen hilft, das unpassende Kostüm abzustreifen. 

Und zum Abschluss sein nun noch die Frage erlaubt, wann Sie eigentlich – inmitten Ihrer verschiedenen Rollen, die Sie spielen – sich selbst sind (spielen müssen Sie sich ja nicht). Oder haben Sie sich in den anderen 100 Rollen Ihres Lebens so gut verkleidet, dass Sie sich schon gar nicht mehr erkennen?

Nun, welche Rolle Ihnen auch immer am besten gefällt bzw. in welcher Rolle Sie sich am besten gefallen: Genießen Sie die Närrische Zeit und vor allem haben Sie Freude daran, einfach mal eine neue Rolle auszuprobieren, denn das erweitert das eigene Repertoire ungemein.  Aber vergessen Sie nicht, sich hinterher wieder zu „ent-rollen“…