Neulich war ich gefragt, spontan eine Aussage dazu zu machen, ob ich eher ein Anhänger der Theorie „Ausnahmen bestätigen die Regel“ sei oder eher des Gegenteils, also dass die Regeln die Ausnahmen seien.
Wie immer in solchen Situationen, fallen einem die richtig guten Inhalte erst später ein, wenn die Chance, sie zu äußern, schon vorbei ist. Jedenfalls geht es mir häufig so. Da mich die Fragestellung jedoch noch ein Weilchen beschäftigt hat, möchte ich darauf nun eingehen.
Natürlich sind „Regeln“ (oder anders formuliert: Spielregeln oder gesellschaftliche Konventionen) dafür notwendig und auch sinnvoll, um ein friedliches und konstruktives Zusammenleben von einer größeren Anzahl verschiedenartiger Menschen im sozialen Kontext zu ermöglichen. Natürlich schränken Regeln oder Vorschriften in dem Fall die individuelle Freiheit ein wenig ein, aber wo kämen wir denn da hin, wenn jede/r nach seinem Geschmack täte und rumliefe wo und wie und wann er oder sie wollte? Ein Chaos sondergleichen entstünde.
Stellen Sie sich mal vor, Ihr Nachbar würde morgens um 3 Uhr Klarinette üben – als Anfänger! Vorbei wäre es mit dem Nachtschlaf… Oder der ältere Herr aus dem Seniorenheim am Bahnhof, der zu Fuß mitten auf der Bundesstrasse läuft anstatt den Fußweg daneben zu benützen. Oder die Mitte Fünzigjährige leicht übergewichtige Kollegin, die gerne im viel zu kurzen Miniröckchen und viel zu tiefem Ausschnitt durchs Büro läuft?
Moment mal! Wer sagt denn, wann ein Rock zu kurz oder ein Ausschnitt zu tief ist? Und wovon hängt das ab? Von der Länge des Rockes, von der Jahreszeit oder vom Gewicht, von der Beinlänge, vom Alter der tragenden Person? Oder vom Geschmack? Was des einen Freud ist des anderen Leid – oder eben Geschmack.
Fakt ist, manche Regeln machen tatsächlich Sinn (wie zum Beispiel das Anschnall-Gebot beim Autofahren), aber manche eben auch nicht, denn manchmal gibt es keine klaren Vorgaben und Regeln. Und nicht zuletzt sind natürlich insbesondere Klamotten der ureigene Ausdruck von Individualität und Stil (ob gutem oder schlechtem ist ja wie wir gesehen haben Geschmackssache).
Vor allem die klassisch deutschen Tugend der Pünktlichkeit funktioniert nur wenn es auch eine Zeit oder einen Fahrplan (als eine Regel oder einen Maßstab) gibt, an dem man sie messen kann. Stellen Sie sich mal vor, wie blöd ich geschaut hab, als ich, eine konkrete Uhrzeit als Antwort erwartend, auf einer Rucksack-Reise in irgendeinem Hinterwäldler-Dorf auf meine Frage, wann denn der Bus losfahren würde, zur Antwort bekam: „Wenn er voll ist natürlich!“ Das hätte ja auch 3 Stunden dauern können, denn als ich einstieg, war ich erst in etwa die Fünfte (es dauerte dann aber zum Glück nur gut 20 Minuten…) Und so weiss man es dann umso mehr zu schätzen, dass zwar die Deutsche Bahn nicht gerade sehr berühmt ist für ein zuverlässiges Einhalten der Fahrpläne (insbesondere weil der Winter jedes Jahr wieder überraschend kommt), es aber immerhin überhaupt Fahrpläne & Regelwerke gibt, anhand derer man die oben zitierte Deutsche Pünktlichkeit messen kann. Und so sind manchmal die Fahrplanabweichungen (oder auch Ausnahmen) mittlerweile schon so regelmäßig sind, dass man auch schon fast wieder damit planen kann …
Um noch mal auf die Mode zurückzukommen – wäre es nicht ziemlich schade und auch im eigentlichen Sinne des Wortes uni-form (= gleich-förmig), wenn sich alle der gleichen Mode unterwerfen würden, die gleiche Kleidung und Frisur tragen würden? Ich finde, das wäre ziemlich ein-tönig, denn unsere Gesellschaft ist nun einmal bunt und lebt von den verschiedenen Geschmäckern, Marotten und Vorlieben. und das darf – finde ich – bitte auch so bleiben. Deshalb: Bitte bunt, aber im Rahmen!