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Meine Pläne, das Leben und ich

11 Sept

Diesen Beitrag hielt ich – so oder so ähnlich – am 09.09.2019 in freier Rede im Speakers Corner München Toastmasters Club:

Vorfreude ist die schönste Freude, sagt man.
Deswegen bin ich auch kein Freund von Last-Minute-Urlaubsangeboten, denn da hat man ja vorher kaum Zeit, sich vor-zu-freuen.
Als alter Planungs-Junkie finde ich nämlich, je mehr Zeit ich meinen Urlaub planen kann, desto mehr freue ich mich, diese Planung dann auch tatsächlich umzusetzen.

Einer der Urlaube, die ich am ausführlichsten geplant hatte, war meine erste Alpenüberquerung mit dem Fahrrad, die ich zusammen mit meinem damaligen Freund machen wollte. Wir besorgten uns stapelweise Fachliteratur und Landkarten, um die perfekte Route auszuwählen. Landschaftlich schön sollte sie sein, in unseren Zeitplan von einer Woche hineinpassen, Start- und Zielorte sollten gut mit der Bahn zu erreichen sein – und natürlich sollte auch ordentlich Höhenmeter absolviert werden, damit der Urlaubsbericht in der Clique möglichst Eindruck hinterließ.

So recherchierten wir in einschlägigen Webseiten über Packlisten, Hüttenbewertungen und Routenvorschlägen. Aus Hunderten von Routen-vorschlägen stellten wir uns letztlich unsere eigene Route zusammen, Urlaub war eingereicht, die Fahrräder und Rucksäcke waren schon gepackt – und dann kam mein Freund einen Tag vor der Abreise spontan auf die Idee, mit mir Schluss zu machen.
Als Vegetarier sei ich ihm zu „Öko“, war seine Begründung. Na gut, dass der nicht weiss wie ich heute drauf bin, ich wüsste gar nicht, als was er mich jetzt bezeichnen würde…

Nun saß ich also vor den Scherben meiner Urlaubsplanung. Was also tun? Nachdem mir zu Hause alleine die Decke auf den Kopf fallen würde, tat ich also das, was ich schon immer gut konnte: Ich entwickelte einen neuen Plan.

Auf „unsere Route“ hatte ich keine Lust mehr, so kam ich nach einiger Recherche und Überlegungen auf die Idee, eine Alpenüberquerung mal anders herum als alle anderen zu machen, nämlich von Süden nach Norden. Also kaufte ich mir mal wieder alle möglichen Kompass-Karten um die neue Streckenführung auszuplanen, packte meinen kleinen Radtour-Rucksack und warf am nächsten Tag mein Rad in den Kofferraum meines Autos und fuhr los nach Meran.

Wie sich später dann herausstellte, war die Bezeichnung Alpenüberquerung nicht ganz zutreffend. Denn meine Tour ging zuerst nach Süden, nur um dann einen Tag später auf einer anderen Strecke wieder nach Norden und schließlich über das Zillertal nach Österreich zu gehen.

Unterwegs traf ich auf eine geführte Gruppe Italienischer Mountainbiker mit deutschem Guide und ebenfalls deutscher Begleitfahrzeugfahrerin, die in etwa die gleiche Tour geplant hatten wir ich. So schloss ich mich ihnen an – was für mich deutlich unterhaltsamer war, als alleine vor mich hin zu radeln.

Die Verständigung war zwar nicht so einfach, da die Italiener wenig deutsch oder englisch konnten, und ich zwar italienisch leidlich verstehe aber nicht spreche. So war eines meiner ersten Lernerfolge zu verstehen, dass es nichts mit einer Kaffeemaschine zu tun hat, wenn jemand von hinten „la macchina“ ruft, sondern dass es schlicht und einfach auf ein von hinten herannahendes „Auto“ hinweist.

An einem Tag fiel mein Blick dann zufällig auf das Outfit eines der Herren: farblich passend zum grünen Trikot eine grüne Radhose, am Tag zuvor rotes Trikot zu einer roten Radhose und während ich so darüber nachdachte, hatte er davor ein orangefarbenes Trikot zu einer orangefarbenen Radhose an. Ich war schwer beeindruckt – denn, obwohl man Frauen nachsagt, über riesige Kleiderschränke zu verfügen: So viele Radhosen besaß nicht nicht einmal, geschweige denn, dass sie farblich zu meinen Trikots passten oder ich sie in meinem Minimal-Mountainbike-Gepäck dabei hatte…
Das bestand nämlich nur aus einem 30-Liter-Tagesrucksack und zwei Trinkflaschen direkt am Rad dabei. Immerhin war eine der wichtigsten Lektionen meines Vaters gewesen: „Nimm immer nur so viel Gepäck mit, wie Du selbst tragen kannst“. Das habe ich auf Reisen immer beherzigt – so habe ich unterwegs auch noch nie einen Gepäcktransport benötigt.

Am dem Nachmittag, als wir Italien hinter uns ließen und auf der österreichischen Seite einen schönen Trail hinab ins Zillertal rollten, wetteiferten die Italiener in Sachen Coolness und Geschwindigkeit. Allerdings musste ich kurz darauf überrascht feststellen, dass keiner der italienischen Jungs in der Lage war, einen platten Reifen zu wechseln. So saß ich amüsiert an einem See und überlegte, ob ich mich einmischen sollte, während fünf italienische Männer ratlos um ein radloses Mountainbike standen…. bis endlich der Tourguide tatkräftig einschritt.

Während wir am nächsten Morgen beim Aufbruch im Zillertal unsere Mountainbikes aus dem Keller des Hotels holten, trugen wir zwei japanische Gäste ihre Snowboards nach draussen, um auf dem Hintertuxer Gletscher zu trainieren. Ich fragte mich nur, wer von uns wohl gerade die falsche Sportart hatte.
Wie sich dann herausstellte, waren wir das, denn auf dem Weg zur nächsten Hütte fing es tatsächlich zu schneien an.

Nach dem Aufwärmen auf der Hütte trennten sich allerdings unsere Wege, denn während die Jungs hinab ins Inntal und weiter nach Deutschland fuhren, fuhr ich nach Westen in Richtung Brenner weiter, denn ich musste ja noch mein Auto wieder in Meran einsammeln.
An dieser Stelle meiner Reise waren die Kuriositäten, die anders liefen als mein Plan, bei weitem noch nicht zu Ende.

Aber wenn ich ehrlich bin, wäre der Urlaub sterbenslangweilig gewesen, wenn alles immer nur nach Plan gelaufen wäre.
Seitdem weiss ich – wenn Du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm Deine Pläne.

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Die Kunst des Zuhörens

30 Nov

Diesen Beitrag hielt ich (so oder so ähnlich) in freier Rede am 28.11.2016 bei den ToastMastern, Speakers Corner in München:

Die Kunst des Zuhörens

Das größte Kommunikationsproblem ist, dass wir nicht zuhören um zu verstehen, sondern wir hören zu um zu antworten.“ (Verfasser unbekannt)

Dieser Spruch begegnete mir vor einigen Tagen und sofort fühlte ich mich ertappt und an etliche Situationen erinnert, in denen ich im Gespräch, während mein Gegenüber noch redete, bereits im Kopf schon die Antwort formulierte. Oder ich im schlimmsten Fall den Anderen vor lauter Ungeduld sogar unterbrach. Wer von Euch kennt solche Situationen noch?

Tragischerweise ist man in solchen Situationen vom Zuhören weit entfernt. Häufig antwortet man dann ohne irgendeinen Bezug auf das zu nehmen, was der andere zuvor gesagt hat. Seine Botschaft kommt so meistens gar nicht bei uns an – Konflikte sind vorprogrammiert.

Liebe Toastmaster, liebe Gäste,

schon Zenon der Ältere, ein griechischer Philosoph aus dem 5. Jh. v. Chr., beobachtete:
Die Natur hat uns nur einen Mund, aber zwei Ohren gegeben, was darauf hindeutet, daß wir weniger sprechen und mehr zuhören sollten.“

Ich weiß nicht, ob diese Schlussfolgerung von allen Toastmastern so geteilt wird, denn neben der Verbesserung der Rhetorikfähigkeiten spielt aberbei den Toastmastern auch das Zuhören eine große Rolle. Deshalb wird es auch in verschiedenen Ämtern und Führungsprojekten aus dem CL-Handbuch geübt.

Heute möchte ich euch auf eine Reise des Zuhörens mitnehmen und lehne mich dabei an ein Kommunikationsmodell des deutsch-amerikanischen Professor Otto Scharmer an. So möchte ich Euch heute einladen, in den 4 folgenden Ebenen Neues zu entdecken.

  1. Ebene: Denkgewohnheiten und Zuhören in der Qualität des Herunterladens. Das ist, als ob ich in einem Raum stehe, dessen Wände aus Spiegeln bestehen: Ich sehe und höre nur das, was schon da ist, was ich hören will bzw. was ich eh schon weiß. Alles andere dringt gar nicht zu mir durch. „Ja, das ist schon bekannt.“
    Oder ich höre nur „nebenbei“ zu, und mache gleichzeitig noch etwas anderes, sei es dass ich nebenher am PC arbeite oder mit meinem Smartphone beschäftigt bin. Durch diese Haltung nimmt man sich die Möglichkeit, vom Gegenüber etwas Spannendes oder Neues zu erfahren oder ihn näher kennenzulernen. So verpasst man Chancen auf neue Erfahrungen.
  2. Ebene: faktisches Zuhören – das ist, als ob ich am Rande meines Raumes von eben stehe, ich nehme war, was dort passiert und wenn ich Glück habe, entdecke ich durch ein Fenster nach draußen etwas Neues.
    Ich tausche mich auf sehr faktenorientierte Weise aus, in der Wissenschaft beispielsweise. Bei den Toastmastern gehören zum Beispiel auch Ämter wie der Sprachstil-Bewerter oder Füllwortzähler dazu.
    Faktisches Zuhören erfordert ein Innehalten, und eine Überprüfung seiner Urteils- und Denkgewohnheiten. Offenes Denken – damit ich überhaupt zu der Erkenntnis kommen kann: „Aha, das war jetzt für mich ein neuer Aspekt, das hatte ich bisher anders gesehen – oder das habe ich bisher noch gar nicht gesehen!“ anstatt: „Das ist falsch, das kann gar nicht sein“.
    Dafür ist es hilfreich, Fragen zu stellen oder zu paraphrasieren, um zu überprüfen ob man das ganze richtig verstanden hat. Die Hauptsache beim Faktischen Zuhören ist allerdings, erst die Fakten und Aussagen zu analysieren und dann erst Schlüsse daraus zu ziehen. So sagt auch der Dalai Lama:
    Wenn du sprichst, wiederholst Du nur, was du eh schon weißt; wenn du zuhörst, kannst Du unter Umständen etwas Neues lernen.“ – ist das nicht großartig?
  3. Ebene – ist das empathische Zuhören. Dies erfordert ein Umwenden oder auch ein Hinwenden. Um bei obigem Raum zu bleiben: Durch das geöffnete Fenster nehme ich auch Stimmungen wahr, die von draußen zu mir hereindringen – es ist das Wahrnehmen dessen, was zwischen den Zeilen steht oder auch das non-verbale. Zum Beispiel: „In Ihren Wort schwingt Ärger mit – gibt es etwas, mit dem Sie nicht einverstanden sind?“
    Durch Einfühlsamkeit lerne ich, die Realität aus der Perspektive des anderen zu sehen und kann dessen Lebensumstände mit empfinden, so in etwa wie in dem indianischen Sprichwort: „Urteile nicht über einen Menschen, bevor du nicht 7 Meilen oder einen Monat in seinen Mokassins gelaufen bist!“ Für das empathische Zuhören hilft eine offene Körperhaltung und ein gelegentliches Zustimmen oder Nicken. Empathisches Zuhören bedeutet nicht, dass man die gleiche Meinung wie sein Gegenüber annehmen muss.
  4. Ebene – generatives Zuhören. Es bedeutet einen Raum intensiver Aufmerksamkeit und offener Präsenz zu schaffen, so dass der Redende die Möglichkeit bekommt, Dinge zu sagen, die ihm selbst noch nicht so bewusst waren.
    Anstatt Dinge aus der Vergangenheit zu reproduzieren, die schon da sind, erschaffe ich Neues, was aus dem Moment heraus entsteht.
    Ein Beispiel dafür ist die Improvisation eines Musikers in einem Orchester, der das größere Ganze hört und gleichzeitig sein Instrument so spielen kann, dass gemeinsam etwas Neues entsteht.

Wenn jemand diese Kunst des Zuhörens beherrscht, gewinnt der Ausdruck „jemandem Audienz gewähren“ so gesehen  eine neue Bedeutung: Denn Generatives Zuhören weckt im Gegenüber ein bisher noch nicht sichtbar gewesenes Potenzial. So kann eine im Entstehen begriffene Zukunfts­möglichkeit sich zumindest mal verbalisieren oder gar manifestieren.

Genau deshalb sind nicht Visionen die wichtigste Fähigkeit oder Eigenschaft einer Führungs- persönlichkeit. Sondern die Quelle von jeglichem großartigen Leadership ist das Zuhören, denn es bringt nicht nur Neues hervor, sondern kann auch das höchstmögliche Potenzial in anderen Menschen zum Vorschein bringen.

Bist Du richtig verbunden?

17 Jun

Diesen Beitrag hielt ich (so oder so ähnlich) in freier Rede am 13.06.2016 bei den ToastMastern, Speakers Corner in München:

Was haben das Internet und Spiritualität gemeinsam?

Nun, auf den ersten Blick nicht so viel. Bei genauerem Hinsehen können beide dieser scheinbar sehr verschiedenen Bereiche mit dem Begriff „Verbundenheit“ zusammen-gefasst werden.

Nun wird Spiritualität sowohl aus der Sicht von sehr religiösen Menschen als auch aus der Sicht von eher a-religiösen Menschen häufig als etwas esoterisch betrachtet. Dabei wurde Spiritualität sogar wissenschaftlich erforscht. Es wurden viele Menschen befragt und als Ergebnis kristallisierte sich der Begriff „Verbundenheit“ heraus – Verbundenheit, mit dem was uns umgibt.

Anhand einiger Beispiele möchte ich Euch zeigen, dass Verbundenheit gar nicht so etwas Exklusives ist wie viele meinen, sondern es möglich ist für jeden, diese in der einen oder anderen Dimension zu erfahren – von diesen Dimensionen gibt es vier:

  1. Verbundenheit mit der Natur, dem Kosmos
    Wer von Euch beispielsweise schon mal in den Bergen war und auf dem Berggipfel das Gefühl von besonderer Erhabenheit oder Demut beim Ausblick über die Umgebung hatte, kann nachvollziehen, was ich meine.
    Genauso, wie ein Spaziergang im Wald oder das Rauschen des Meeres am Strand ein Gefühl von Einssein mit der Natur hervorrufen kann.
  2. Verbundenheit mit den Mitmenschen, der sozialen Umwelt
    Das kann sich beispielsweise darin zeigen, wenn man an einen lieben Menschen denkt – und dieser dann ein paar Minuten später anruft.
    Oder wenn im gemeinsamen Gespräch aus dem Moment heraus neue Ideen und Möglichkeiten entstehen, die einer alleine nie gehabt hätte – die höhere Intelligenz der Gruppe sozusagen.

Das ergibt quasi eine horizontale Achse, deshalb werden diese beiden Dimensionen auch horizontale Verbundenheit genannt.

  1. Verbundenheit mit sich selbst
    Das bedeutet, zu fühlen – nicht nur vom Kopf her zu wissen -, wie ich mich gerade fühle. Bin ich traurig, bin ich glücklich, müde oder erschöpft, und dies wirklich zu fühlen.
  2. Verbundenheit mit dem Universum, dem Göttlichen, dem Größeren Ganzen
    Für eine wissenschaftliche Arbeit habe ich mit vielen Menschen gesprochen, die dafür unterschiedliche Begriffe oder Namen haben. In den monotheistischen Religionen sagt man: Gott, JHWE oder Allah, bei den Indianern sagt man glaube ich „großer Geist“ und für wieder andere ist damit ein universelles Wirkprinzip gemeint, das allem zugrunde liegt.
    Egal wie sie es nennen, die Menschen empfinden eine Verbundenheit mit etwas, das sie übersteigt und das dann bei ihnen den einen oder anderen guten Ein-Fall hervorruft.

Was eine vertikale Achse ergibt, die sich mit der horizontalen Achse im Individuum kreuzt, genauer gesagt: In dessen Herz.

Verbundenheit

Das ist die Essenz der Verbundenheit. Man erzeugt sie am besten, indem man jemandem oder etwas seine volle Aufmerksamkeit schenkt. Also NICHT indem man während einer Unterhaltung oder bei einem Spaziergang durch den Wald nebenbei noch schnell Emails liest, sondern einfach nur da ist – mit all seinen Sinnen und aus dem Herzen heraus.

Präsent zu sein heißt, jemandem oder etwas seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. So, wie es sich anfühlt, wenn man barfuß am Strand den Sand zwischen den Zehen fühlt, oder das Vogelgezwitscher oder beim Spaziergang den Duft des Waldes wahrnimmt. DAS ist echte Präsenz.

Nicht zuletzt bedeutet das englische Wort present für Präsenz auch Geschenk.

Verbundenheit IST ein Geschenk, zumindest mal für uns selbst. Denn wir verschaffen uns dadurch Momente, die uns in Erinnerung bleiben. Erinnerungen sind es schließlich, die das Leben ausmachen.

Deshalb möchte ich Euch einladen, verbunden zu bleiben – und zwar nicht dem Smartphone sondern so wie auf dem obigen Flipchart.

 

Integration

2 Feb

In den letzten Wochen & Monaten war quer durch alle Medien das Thema der zahlreich nach Deutschland (und in andere westeuropäische Länder) kommenden Menschen (manche verwenden auch das Wort Flüchtling) sehr präsent. Auf die vielfältigen Attribute, die in den Medien diesen Menschen zugeschrieben werden, oder die Thesen, ob die hierher kommenden Menschen nun gute Gründe haben, ihre Heimat zu verlassen oder das ganze eine geschickt eingefädelte Aktion von wem auch immer ist, um Europa in Unfrieden zu bringen und damit wirtschaftlich zu schwächen, wie von verschiedenen Stimmen & Gerüchte zu hören ist, möchte ich gar nicht eingehen. Denn eine pauschale Antwort aus deutscher (Aussen-)Perspektive ist aufgrund der Vielzahl der individuellen Gründe der Menschen weder möglich noch etwas anderes als Spekulation.

Auch finde ich es müßig, sich darüber Gedanken zu machen, ob diese Situation nun eine „Gefahr“ oder eine „Chance“ für Deutschland respektive Europa darstellt, wie andere Stimmen verlauten lassen. Denn die Situation ist nun einfach mal da – und damit heißt es umzugehen, egal wie wir sie finden oder bewerten. Und deshalb finde ich es umso wichtiger, sich Gedanken zu machen, wie wir konstruktiv mit der gegenwärtigen Situation umgehen können, sowohl auf national-politischer Ebene als auch auf regional-konkret praktischer Ebene.

Schnell war und ist in den letzten Wochen immer häufiger der Ruf nach „Integration“ zu hören. Offen bleibt nach wie vor, wie diese genau gelingen kann und soll. Nun ist es allerdings so, dass man zwar Menschen dazu bringen kann, Deutschkurse zu besuchen, die sie mit mehr oder weniger Erfolg abschließen. Man kann Menschen auch dazu bringen, irgendeine Arbeit anzunehmen, für die sie qualifiziert sind oder auch nicht. Evtl. haben die Menschen daran ein Interesse oder sogar Freude. Das wäre wunderbar und würde vieles erleichtern. Aber wenn man eines nicht kann, dann ist es, jemanden die „Integration“ in eine andere oder fremde Kultur zu verordnen. Genauso wenig, wie man jemanden dazu zwingen kann, einen anderen Menschen zu lieben.

Dennoch können wir – und mit „Wir“ meine ich uns alle – dazu einen wichtigen Beitrag  leisten, dass die vielen Menschen, die zur Zeit nach Deutschland kommen, eine Kultur und eine Haltung erleben, in die sie sich auch integrieren möchten. Denn der Begriff Integration kommt ja lt. Wikipedia vom Lateinischen integrare, was „erneuern, ergänzen, geistig auffrischen“ bedeutet.

Für diese ‚geistige Auffrischung‘ ist es hilfreich, seinen Blick wie aus einer Hubschrauber-Perspektive mal auf sich selbst zu richten und auf sich selbst zu schauen, wie wir denn eigentlich leben. Damit meine ich nicht: „Wie groß ist das Haus oder die Wohnung, in der wir leben?“ oder „Wie groß das Auto, das jemand fährt?“ Sondern ich meine viel mehr: Wie gehen wir mit Kindern um? Oder mit alten Menschen? Oder mit Fremden? Wie gehen wir um mit Menschen, die andere Gewohnheiten haben als wir, z. B. andere Essgewohnheiten? Sind wir mit ihnen freundlich und offen und einladend oder begegnen wir ihnen mit Misstrauen? Sind wir (und dafür ist Deutschland ja auch ein Stück weit berühmt) strukturiert, organisiert und  „effizient“ oder haben wir vor lauter Effizienz das Gespür für das Wesentliche im Leben verloren – die Lebenskunst, die Mitmenschen, das Sein?

Und so möchte ich noch von einem kleinen Erlebnis aus unserem kleinen Ort bringen, das ich letzten Sommer hatte. Ich war eines Abends auf unseren Acker gefahren (von dem ich bereits hier und an anderer Stelle berichtet hatte), der nicht weit entfernt gelegen ist von einer Asylbewerber-Unterkunft, in der u. a. auch Afrikaner untergebracht sind. Ich war zum Acker hingefahren, um die Pflanzen zu gießen und Unkraut zu zupfen.
Als ich so mitten am Zupfen war, hörte ich auf einmal aus Richtung der Unterkunft Trommelmusik herüberschallen. Mit Trommelmusik (und auch darüber hatte ich ja bereits hier geschrieben) verbinde ich immer Sonne, Strand, Tanzen, Lachen, Lebensfreude & Leichtigkeit.

Und so setzte ich dann ganz beschwingt meine Ackertätigkeit fort – und dachte mir: Da gibt es etwas, was wir uns unsererseits für unser Leben von den Menschen aus anderen Kulturkreisen abschauen können. Ein Geschenk, das auch unser Leben bereichern kann – wenn wir es denn annehmen. Ich denke, es täte uns in vielerlei Hinsicht gut…

Präsent sein = ein Geschenk sein

1 Jan

Die Weihnachtstage sind nun gerade eben vorüber. Für die einen ist und war es ein Fest der Freude, für andere ein Fest des Stresses und für wieder andere ein Fest der Geschenke. Was scheinbar so widersprüchlich klingt, hat – genauer betrachtet – dennoch viel miteinander zu tun.

Fest der Geschenke…
Geschenke sind Gaben ohne Gegenleistung, die dazu gedacht sind, dem Beschenkten – und manchmal auch dem Schenkenden selbst – eine Freude zu machen. Was eigentlich schön ist, nämlich eben dieses „Freude bereiten wollen“, artet aus verschiedenen Gründen leider ganz häufig in Stress aus. Das ist schade, und widerspricht auch völlig sowohl dem Ziel des Schenkens als auch der Freude. Aber warum ist das so?

Ein Faktor ist sicherlich, dass anders als an Geburtstagen, wo gerade immer nur ein Mensch „bedacht werden muss“, viele Menschen das Gefühl haben, nun gerade noch für alle möglichen Menschen im Umfeld noch Geschenke kaufen „zu müssen“, zu allem Überfluss meistens auch noch auf den letzten Drücker, weil sich ja in den Wochen zuvor noch so viele andere Dinge zeitlich gehäuft hatte, wie diverse Weihnachtsfeiern oder die Jahresabschlussarbeiten im Büro.
Wie sonst lässt sich erklären, dass am 22.12. im Radio zu hören war, dass der Einzelhandel bis zum Heiligenabend (also in 1 1/2 Arbeitstagen) noch mit 20 % des Weihnachtsumsatz rechnet? So jedenfalls verursacht die ganze Schenkerei – neben dem ganzen anderen organisatorischen Programm, wie die anstehende Verwandtenbesuche, die alle geplant und unter einen Hut gebracht werden müssen, das extra-perfekte Festtagsessen und überhaupt die ganze Völlerei – also ordentlich Stress und manchmal auch Widerwillen.

Dazu kommt noch, was soll man den anderen überhaupt schenken – die meisten von uns haben doch eh schon alles. Und weder braucht „Mann“ das fünfte Paar Socken, noch braucht „Frau“ das dritte Parfüm oder das zehnte Kuscheltier (liebe Herren der Schöpfung, bevor Sie „einfach so“ annehmen, dass Ihre Partnerin sich darüber freut, weil Sie es in der Ver- gangenheit mal von einer Frau so erlebt haben: Bitte, bitte, bitte fragen Sie nach, denn nicht jede Frau freut sich darüber wirklich…)
Sicherlich haben die meisten von uns schon erlebt, ein Geschenk erhalten zu haben, was uns nicht wirklich im Herzen Freude bereitet hat (für meine persönlichen Highlights siehe oben :-)), und vor lauter „sag ich’s jetzt dem/der anderen oder besser nicht, damit er/sie nicht beleidigt ist“ darf man sich dazu noch überlegen, wie man es hinbekommt, dass das Lächeln auf dem eigenen Gesicht mehr dankbar-erfreut wirkt als gequält. Puh wie anstrengend!

Und überhaupt, diese dämliche Verpflichtung, jemand anderem was schenken ZU MÜSSEN! Der/die Beschenkte könnte ja ein Geschenk erwarten. Nee, per definitionem ist das dann kein Geschenk mehr, sondern eher ein Tausch, denn ein Geschenk ist ja eine Gabe ohne Gegenleistung.

In einer Zeit, wo so viele Menschen darüber klagen, „dass sie keine Zeit haben“ oder „wie schnell das Jahr wieder vorbei gegangen ist“, wäre es da nicht viel einfacher, anstatt seine Zeit in Geschenkekaufen zu investieren, einfach nur Zeit zu verschenken und die Zeit direkt mit seinen Lieben zu verbringen? Qualitätszeit, versteht sich.
Zeit zu schenken ist in solchen Zeiten wirklich ein besonderes, wertvolles Geschenk und eines mit Mehrwert noch dazu, z. B. wenn der gestresste Papa, der eh so selten zu Hause ist, mit seinen Kindern (hoffentlich nicht nur an Weihnachten) einfach nur spielt, kann das ein ganz wunderbares Geschenk sein. Oder Qualitätszeit kann bedeuten, mit seinem Partner/seiner Partnerin zu kuscheln oder sich mit den Eltern/Großeltern einfach nur unterhalten oder ihnen einfach nur zu zuhören.

Ja, „einfach nur dasein“ klingt so einfach, ist aber für viele von uns, die wir gewohnt sind, permanent aktiv zu sein und Leistung zu erbringen, ganz schön schwierig.
Vielleicht gelingt es einfacher, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das englische Wort present außer Geschenk auch noch Präsenz bedeutet, also Gegenwart. Wenn das mal kein Zufall ist!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Sie Ihre Zeit im neuen, vor uns liegenden Jahr möglichst häufig als Geschenk verstehen können und es Ihnen häufiger gelingen möge, „einfach nur da zu sein“ – sei es für Sie selber oder für andere.

Möge dieses Jahr Ihnen Gesundheit, Liebe und Zufriedenheit bringen.

Herzlichst, Ihre Christina Bolte

Neues aus dem Sozialzoo (2): Zugehörigkeit & Herdentrieb

30 Nov

Vor allem in Zeiten der Globalisierung, wo berufliche (und auch geistige) Mobilität und Flexibilität gefordert sind, in Zeiten von Patchwork-Familien oder häufigen beruflichen Veränderungen ist es für Menschen ein wichtiges Thema, zu wissen, wohin man gehört.

Zugehörigkeit – innerhalb seiner Familie, seiner Nachbarschaft, eines Freundes- oder Kollegenkreises oder im Rahmen eines Vereins – gibt in diesen Fällen Halt, Stabilität und dadurch Sicherheit.

Zugehörigkeit gibt Sicherheit

Die Zugehörigkeit und Identität mit „seiner“ Gruppe lässt sich auf vielfältige Art und Weise zum Ausdruck bringen. Bei Jugendlichen kann es zum Beispiel sehr wichtig sein, nur noch Bekleidung und Accessoires bestimmter Marken oder Hersteller zu tragen, oder man hört die gleiche Art Musik, verwendet das gleiche Vokabular und pflegt die gleichen Rituale, wie beispielsweise den sonntäglichen Kirchgang oder den Stadien-Besuch bei den Heimspielen „seines“ Fussball-Clubs. Letztendlich ist das aber bei den Erwachsenen auch noch nicht viel anders, nur dass im Büro der Anzug zur Uniform der modernen Ritter und das Kaffeetrinken oder Handy-Zücken zum Ritual geworden ist.

Zu-gehörig-keit bedeutet aber im Allgemeinen auch, dass man sich an das anpasst, was sich im Rahmen der jeweiligen Gruppe „gehört“: Sei es durch Bekleidung oder durch Gepflogenheiten. Manchmal birgt dies allerdings auch nur scheinbare Sicherheit, zum Beispiel wenn man vor lauter Zu-gehörig-keit die eigenen Bedürfnisse über-hört.

So wie ich es selbst auch lange Zeit tat. Und so versuchte ich jahrzehntelang, den Lebensvisionen und dem Wertesystem anderer (in diesem Fall meiner Eltern, denn ich sollte es ja einmal gut haben) wie in einem Hamsterrad hinterher zu rennen. Oder ich folgte ehrgeizigen Freunden auf fast schon hochleistungs-sportliche Mountainbike-Touren. Und alles nur, weil ich glaubte, es wären meine eigenen Ziele und Werte. Bis ich zusammen­brach, körperlich wie emotional.

Der darauffolgende Prozess, die zerbrochenen Teile meiner Selbst wieder zu einem neuen Selbstbild zusammen zu setzen, dauerte Jahre. Wie ich mittlerweile erahnen kann, wird dieser Prozess des Sortierens und Zusammenpuzzeln auch noch (m)ein Leben lang anhalten. Jedenfalls lernte ich Stück für Stück zu sortieren, was MIR gut tut und was nicht. Musste lernen, meine Grenzen zu akzeptieren (was meinem Ego gar nicht gefiel), und anerkennen, dass mein bisheriges Lebenskonzept nicht mehr funktionierte. Mittlerweile kann ich sogar öffentlich dazu stehen! Was in einer Kultur wie der Deutschen, wo Scheitern anscheinend ein Drama ist, extrem gewöhnungsbedürftig ist. Denn während man in Amerika nach beispielsweise einer Insolvenz daraus lernt und wieder von vorne anfängt, habe ich den Eindruck, dass man in Deutschland in diesem Falle das Thema in der Tabu-Kiste versteckt und in einer Depression versinkt.

Jedenfalls durfte ich im Laufe dieses Prozesses erkennen, welche Bestandteile meines bisherigen Lebenskonzeptes mir nur von anderen (Eltern, Lehrer, Freunde wie auch Vorgesetzte) eingeimpft worden waren, und mich entscheiden, welche ich weiterhin auf meinem Lebensweg mitnehmen wollte.

Zwischendrin ereilte mich die Erkenntnis, dass ich – wie vermutlich alle Menschen – eigentlich eine große Grund-Sehnsucht habe: So anerkannt und geliebt zu werden wie ich bin. Was auch beinhaltet, anderen Menschen das gleiche Recht zuzugestehen.

Seither hat sich mein Leben deutlich vereinfacht, denn weder „muss“ ich seitdem immer Recht haben, noch „müssen“ andere Menschen meinem Bild entsprechen. Was übrigens auch die Partnersuche enorm vereinfacht hat: Denn wenn ich nicht die Erwartungshaltung habe, dass mein Traumpartner einem ganz konkreten Bild entspricht (das womöglich ein Ideal oder eine Illusion ist, die es überhaupt gar nicht gibt), ist die Auswahl an „vollkommenen“ Unperfekten einfach um ein Vielfaches größer!

Identität und Individualität

Um nun wieder auf das eingangs erwähnte Thema Zugehörigkeit zurückzukommen: Wenn ich sehe, dass sich junge Menschen auf der Suche nach ihrer eigenen Identität an das anpassen, was ihnen vom Umfeld vorgegeben wird, und dabei möglicherweise ihre wertvollen Eigenheiten, Fähigkeiten und Facetten unterdrücken, um einem Stereotyp eines perfekten…–  ja was eigentlich? Einer perfekten Arbeitskraft oder Leistungsmaschine?  – zu entsprechen, dann läuft in dieser unseren Gesellschaft einiges verdreht. Später erleiden diese angepassten nicht mehr ganz so jungen Menschen dann eine Identitätskrise nach der nächsten, steigen depressiv oder ausgebrannt aus dem Arbeits- oder sogar Leben komplett aus oder brauchen Jahre bis Jahrzehnte, um sich davon wieder zu erholen und sich selbst wieder zu finden.

Eckart von Hirschhausen sagte dazu auf einer seiner CDs: „Wenn Du als Pinguin geboren wurdest, wirst Du auch durch sieben Jahre Psychotherapie keine Giraffe“. Ja, wieso versuchen es dann so viele Menschen? Nicht dass ich Psychotherapie ablehne, aber es hilft halt auch nur einem Kind aus dem Brunnen, wenn es schon hineingefallen ist.

Wäre es nicht viel wünschenswerter, dass Jugendliche, wie es in anderen Kulturen üblich ist, eine Art Initiation ins Erwachsenen-Leben bekommen? Wo ein junger Mensch – anstatt dass er immer nur erfährt, wo er noch Abweichungen und „Defizite“ gegenüber der Norm hat und wie er „daran arbeiten“ kann – lieber entdecken und sich darüber klar werden kann, was er der sie Besonderes kann, was ihn der sie auszeichnet und welche dieser besonderen Fähigkeiten und Qualitäten er oder sie auf welche Art und Weise in die Gesellschaft einbringen kann?

Echte Zugehörigkeit zeichnet sich, wie ich finde, besonders dadurch aus, dass man trotz oder gerade mit dem, was der eine Marotte oder der andere Talent nennt, genau so sein darf wie man ist.

In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen und Dir einen gehörig guten Start in die Adventszeit…

Ge-Danke-n über den Herbst

11 Nov

Herbstlaub

Die bunten Blätter wiegen langsam an den Ästen,
der Herbstwind begleitet sie zu Boden
Die herbstsonnigen Strahlen
tauchen den Wald in ein farbiges Kleid.

Unter meinen Schritten rascheln Haufen
Von feuer-leuchtenden Blättern am Boden.
Fröhlich spielen darin die Kinder
Und lachen mit dem Knistern um die Wette.

Mitten im Laub entdecke ich eine glänzende Kastanie.
Mit kalten Händen schäle ich sie aus ihrem Stachelkleid.
Dazwischen an einzelnen Büschen noch gelbes Laub  oder grüngraue Flechten.
Im Kontrast dazu strotzt die grüne Wiese vor Leben.

Ernte

Am Wegrand finde ich die Früchte der Bäume:
Haselnüsse, Maroni und Walnüsse sind herabgefallen und nähren nicht nur die Tiere
Sondern auch mich durch die kommenden Wintermonate.
Wie dankbar bin ich heute für dies Geschenk der Natur!

Wenn ich die Nüsse knacke und esse,
erinnert mich das Knistern an das der herbstlichen Blätter
und der Gedanke an das Herbstsonnenlicht
erleuchtet einen nebligen Tag.

Beeren, Schlehen und Bucheckern – wie farbige Perlen an den Ästen –
ein wenig aus der Mode gekommen,
und dennoch stärken sie uns mit Saft und Kraft.
Sie zu sammeln ist für mich eine Meditation.

Wandel

Ein neuer Tag bringt mit sich den Regen
Und hinterlässt statt knisterndem Laub
eine matschig braune Blätterschicht am Boden.
Achtsam gehe ich darüber um nicht darauf auszurutschen.

Nur Schwach noch erinnern die feuchten Blätter
An die Wärme und das Licht des Sommers.
Vorbei – nun ist’s kälter und dunkler ist’s auch.
Stattdessen erwärmen mich Mütze und Handschuhe.

Aus dem Tal steigt hinauf eine dicke Schicht Nebel.
Wie Watte schützt er die Landschaft vor dem Lärm
und verpackt sie in eine Schicht aus friedlicher Stille.
Sie lädt mich ein, ebenfalls zur Ruhe zu kommen.

Vergänglichkeit – nichts ist oder bleibt wie es mal war.
Doch weiß ich auch, dass hinab gefallene Äste oder das Laub am Boden
Den Bäumen und Sträuchern als Schutz und Nahrung dient
Um zu ruhen im Winter und zu wachsen im Frühling.

Es stimmt mich froh, zu wissen,
dass nach einer Zeit der Ruhe und des Rückzuges
Im Frühjahr wieder neues Leben und Wachsen
Seine Zeit und seinen Platz hat in der Natur.

Eindrücke vom Camino (1)

18 Jun

Zu Fuß unterwegs auf dem Weg des Lebens,
die Langsamkeit des Gehens genießend.
Ich nehme mit all meinen Sinnen wahr:

Höre das Vogelgezwitscher und das Plätschern des Baches
trotz der Geräusche der Autos auf der Landstrasse neben mir.
Hin und wieder gackern die Hühner.

Spüre die Sonne und den Hauch des Windes auf meiner Haut,
oder gestern auch den Regen.
Auch spüre ich die Anspannung in meinen Muskeln von den
noch ungewohnten Bewegungen und den Schmerz in meiner Achilles-Ferse.

Ich sehe die bunten Blumen am Wegesrand und
die weissen Wolken am blauen Himmel über mir.
Auch die verfallenen oder zum Verkauf stehenden
Häuser in den Ortschaften am Wegesrand sind kaum zu übersehen.
Die gelben Pfeile weisen mir den Weg.

Ich nasche ein paar Walderdbeeren vom Wegesrand,
deren süßer Geschmack hallt noch lange auf meiner Zunge nach.
Die Klarheit des Wassers erfrische meine Kehle.
Ich genieße die teilweise mir fremden Gewürze,
die meine Mahlzeit zu einem Hochgenuß für den Gaumen werden lassen.

Trotzdem, dass der Bauer gerade sein Feld gedüngt hat,
duftet es aus der Bäckerein im Ort nach Frischgebackenem und Kaffee.
Zeit für eine Pause.

Jede meiner Zellen jubiliert:
Ich BIN! Ich LEBE! JETZT!

Zu-Frieden-heit

2 Jun

Wie geht es Ihnen, wenn Sie im Fernsehen, im Internet oder in anderen Medien Bilder von Demonstranten sehen, die gegen Stuttgart21, gegen Krieg, gegen Umweltverschmutzung, gegen Gurken aus Spanien oder gegen Atomkraft auf die Strasse gehen und demonstrieren?
Mir persönlich vermitteln solche Demonstrationen mit (Auf-) Forderungen an irgendjemanden – ja, an wen eigentlich? – immer ein etwas befremdliches Gefühl.

Zum einen fällt mir auf, dass eigentlich meistens GEGEN etwas und selten FÜR etwas demonstriert wird. Wieso eigentlich? Man könnte doch genauso gut für regenerative Energien, für eine saubere Umwelt, für ein gesundes Wachstum, für einen verantwortungsvollen Umgang in der Wirtschaft oder für Frieden demonstrieren.
Für etwas zu sein und sich dafür einzusetzen, ist doch zum einen viel konstruktiver und motivierender, und außerdem wissen wir, dass unsere Hormone damit gleichzeitig eine positive Botschaft an unser Gehirn übermitteln.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nicht gegen Demonstrationen und die freie Meinungsäußerung, denn in der Vergangenheit wurde sicherlich einiges durch diese Form der politischen Meinungsäußerung erreicht, man denke da nur an den Fall der Mauer. Aber ich bin nicht sicher, dass dieser Weg für die Zukunft noch geeignet ist, sinnvoll zu einer Problemlösung beizutragen. Denn ist nicht eine Demonstration eigentlich ein Akt der Abgabe von Verantwortung? Ein Bitten oder Flehen an den eingangs erwähnten „irgendjemand“ oder an „die da oben, die gerade an der Macht sind“, doch bitte irgend etwas zu ändern?

„WIR SIND DAS VOLK“ (1989) und „WIR SIND DEUTSCHLAND“ (Fussball-WM 2006) hat uns geeint. Anscheinend haben wir das „wir“ schon wieder vergessen. Denn ist es denn nicht so, dass letztendlich wir, Jeder einzelne, das Volk sind?

WIR haben die Verantwortung und die Entscheidungsfreiheit zu wählen – und zwar jeden Tag neu. Sei es, dass wir unsere Regierung wählen, wenn wieder mal Wahlen anstehen, oder uns zwischen Öko- oder Atomstrom entscheiden wenn es um die Energieversorgung unserer eigenen vier Wände geht. WIR sind letztendlich diejenigen, die mit unserer Nachfrage das Angebot dessen kreieren und  diktieren, was uns da in nächster Zukunft serviert werden wird.

Und deshalb haben WIR auch die Verantwortung, wenn wir etwas ändern oder geändert haben wollen. Wir sollten nicht nur lautstark danach schreien, dass die anderen etwas tun mögen, sondern WIR haben auch die Verantwortung, SELBST etwas zu tun. Und wenn es nur das ist, dass wir uns mit unserem eigenen Konsumverhalten und unseren Ansprüchen auseinandersetzen und offen sind, daran etwas zu verändern.

Noch effizienter wäre es allerdings, anstatt gegen Krieg oder für Frieden auf der Strasse zu demonstrieren, diesen zu allererst einmal im eigenen Leben zu etablieren und zu demonstrieren.

Der erste Schritt wäre wohl, Frieden mit sich selbst zu schließen. Wie das geht? Wikipedia definiert Frieden als Ergebnis von Friedensbemühungen und Fried-Fertigkeit. Dabei bedeutet Fertigkeit, dass etwas erlernbar ist. Wie also lerne ich Frieden?

Ist nicht Frieden ein elementarer Bestandteil des Begriffs Zu-Frieden-heit, also Frieden in uns selbst? Der erste Schritt zum inneren Frieden ist deshalb wohl, erstmal für sich selbst zu schauen, was Sie bereits alles Großartiges geschafft oder erreicht haben, anstatt danach zu trachten was noch fehlt. Sprechen Sie sich selbst für das bereits Erreichte eine ordentliche Portion Lob, Anerkennung und Dankbarkeit aus. Dankbarkeit ist dabei ein ganz wichtiger Faktor. Dankbar zu sein, für das, was da ist, und nicht hadern mit dem was noch fehlt (da wird es nämlich immer etwas geben was noch besser oder noch mehr sein könnte).
Danach schließen Sie Frieden mit sich – und mit all den inneren Stimmen, die Ihnen was erzählen von „Du musst aber“, „wieso ist mir das bloß schon wieder passiert“ und „das konnte ja gar nicht gut gehen…“
“Hören“ Sie auf Ihr intuitives Glücksgefühl!

 Wenn Sie diesen großartigen ersten Schritt erst einmal geschafft haben, ist es eigentlich gar nicht mehr so schwer, Frieden nach außen zu schließen.

 Ihr eigener innerer Frieden hilft Ihnen, mit den Nachbarn, mit dem Chef oder mit dem dummen Typen, der da vor mir in der Schlange am Schalter steht und der ausgerechnet heute wo ich es eilig habe, ein besonders kompliziertes Anliegen hat, oder mit einer belastenden Situation klarzukommen und in Frieden zu sein – so schwierig dies auch manchmal sein mag.

Eigener innerer Frieden und innere Zufriedenheit sind dann nur noch eine logische Konsequenz und lassen uns die Welt mit anderen, positiveren, zugewandten Augen sehen.

 Zum Schluss eine Weisheit von Mahatma Gandhi: „Es gibt wichtigere Dinge im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.“

Zum Valentinstag… alles Liebe!

13 Feb

Pünktlich zum 14. Februar halten sich wieder hartnäckig die Gerüchte, der Valentinstag sei eine „Erfindung“ der Floristik-, Postkarten-, Pralinen- oder Schmuck-Branche, um die Möglichkeiten der Umsatzsteigerung zu erhöhen für Artikel, mit denen man seinem/seiner Liebsten eine Freude machen oder einen Liebesbeweis antreten kann.

 Natürlich freut sich fast jede Frau über einen Blumenstrauß oder ein Schmuckstück (es wäre ja auch heuchlerisch, dies abstreiten zu wollen). Bleibt natürlich trotzdem die Überlegung, welche „Beweiskraft“ ein einmal jährlich erbrachter „Liebesbeweis“ hat, dazu noch wenn häufig eher aus Pflichtbewusstsein geschenkt wird denn aus Liebe, oder eine fertig vorgeschriebene Karte, unter die gerade eben noch der Name des Schenkers und der Beschenkten geschrieben werden?

Ist es nicht vielmehr ein umso wertvollerer Liebesbeweis, sich das ganze Jahr über immer wieder in kleinen Gesten des Alltags die gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen?
Das kann zum Beispiel ein einfaches Lächeln sein, oder eine Umarmung oder der ausnahmsweise ohne Diskussionen ausgeleerte Mülleimer. Oder wie wäre es mit ein paar netten, evtl. sogar verständnisvollen Worten oder einem Lob? Oder einfach mal Zeit?

 Wie Sie sehen, müssen die Valentins-Momente des Alltags gar nicht einmal viel kosten, außer vielleicht ein kleines bisschen Überwindung. Und dann kann man sich dadurch auch leisten, nicht nur den Partner/die Partnerin mit derartiger Wertschätzung zu bedenken, sondern vielleicht auch andere gute Freunde oder sogar ganz fremde Menschen.

 Denn schließlich hatte nach der altgriechischen Philosophie (nach Platon) das Wort Liebe sogar drei verschiedene Bedeutungen:
Zum einen natürlich Eros, die sinnlich- erotische, also sexuelle Liebe und die Leidenschaft,
zum anderen Philia, die Freundschaft, gegenseitige Anerkennung und das Verstehen und letztlich
noch Agápe, die selbstlose Liebe, das geistig-seelische Verschmelzen und Einswerden, auch die Nächstenliebe.

 Ich denke, das schwerste an der Liebe, und doch zugleich das wertvollste, was man einem anderen Menschen schenken kann, unabhängig von Valentinstag oder anderen mehr oder weniger wichtigen Feiertagen, ist: Den anderen (oder etwas) so zu akzeptieren, bejahen und anzunehmen, wie er/sie/es ist, auch und vor allem in seiner/ihrer Andersartigkeit.

In diesem Sinne, viel Freude dabei, die Liebe zu leben  und das Leben zu lieben.

Denn nur wenn wir Lieben, bekommen wir das i-Tüpfelchen für unser Leben.
Auch wenn die Liebe manchmal seltsame (Um-)Wege geht…