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Von inneren und äußeren Reisen

22 Nov

Vor einiger Zeit schrieb ich diesen Beitrag über meine persönliche Erfahrung von Freiheit, und wie sich die Betrachtung dessen im Laufe der Zeit verändern kann.
Angeregt duch eine inspirierende Mittagessen-Unterhaltung möchte ich heute über einen anderen Aspekt dieses Themas berichten – so wie ich es in den letzten Jahren erlebt habe (was nicht zwingend bedeutet, dass es auch für alle anderen Menschen so gelten muss).

Wie erwähnt, habe ich vor einigen Jahren einen Großteil meiner Freizeit und meines Jahresurlaubs auf Reisen verbracht. So, wie andere Menschen viel Geld in Autos, Kleidung oder Wellness stecken, entsprach dies eben meinem persönlichen Verständnis (und Bedürfnis) von Luxus. Auch wenn es keine besonders luxuriösen Reisen waren, wie Club-Urlaube oder All-Inclusive-Kümmer-Dich-um-Nix-Reisen, sondern eher eine Art Last-Minute- und/oder Packpacking-Urlaub (häufig mit Tauchequipment, was die Mobilität dann doch immer etwas einschränkte), war es mir wichtig, auf diesen Reisen (neben Sonne, Strand & Meer) das Gefühl von Freiheit (er)leben zu können. Sei es die Freiheit, die ich beim Blick über die Weite des Meeres verspüren, die Freiheit (und die Ehrfurcht) bei einem Tauchgang eins zu sein mit der mich umgebenden Unterwasserwelt oder die Freiheit, heute hier und morgen dort zu übernachten, je nachdem wonach mir der Sinn stand oder wo es mir gefiel. Zusammengefasst könnte man sagen, ich liebte die Freiheit, mich nicht festlegen zu müssen.

Im Laufen der vielen Reisen, um genau zu sein auf einem Tauchboot auf den Philippinen, fragte ich mich, warum ich mir dieses Gefühl von Freiheit immer nur im Urlaub ‚erlauben‘ konnte oder wollte und nicht auch in meinem Alltag. Die Antwort war leider sehr ernüchternd: Weil ich mich gefangen sah in (v. a. beruflichen) Strukturen, die mir zwar ausreichend finanzielle Kompensation boten, um mir wenigstens im Urlaub das Gefühl von Leben leisten zu können, mir aber – so meine Wahrnehmung – ansonsten wenig Luft zum Atmen und vor allem Herzensfreude boten. [Kleine Randnotiz: Im Nachhinein natürlich ein Luxus-Problem, denn wie viele Menschen gibt es, die in einem bescheidenen Job auch noch so bescheiden bezahlt werden, dass sie davon kaum für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.]

Nun, besagter Philippinen-Urlaub war zwar im Nachhinein in einigen Aspekten sehr seltsam, aber war in einem Punkt auch sehr ausschlaggebend für mich. Denn auf dem Heimflug hatte ich am Silvester-Morgen 2010/11 einen etwa dreistündigen Stopover auf dem Frankfurter Flughafen. Ich muss zugeben, ich mag keine großen Flughäfen und finde Stopovers tendenziell eher überflüssig, denn nach einer eh schon 18-stündigen Reise wollte ich eigentlich nur noch nach Hause. Dennoch bin ich sehr dankbar für das Treffen mit einem früheren Studienkollegen, der mir (vermutlich mehr einfach so dahin gesagt) angeboten hatte, wenn ich mal in Frankfurt sei, solle ich mich mal melden – was ich auch tat.
Besagter Studienkollege erzählte mir also im Lauf unseres Frühstücks-Treffens auf dem Frankfurter Flughafen von einer „Selbstfindungs“-Seminarreihe, die er belegt hatte und die ihm seiner Aussage nach sehr gut getan hatte. Ich muss dazu sagen, dass ich zur damaligen Zeit den Ansatz hatte, dass sobald mir ein Thema zum dritten Mal über den Weg lief, ich mich damit auseinandersetzen wollte. Und da er in diesem Stichwort der Dritte war, setzte ich mich mit dem Thema Selbstfindung auseinander. Abgesehen davon, dass das Treffen mein angenehmster Flughafen-Stopover war, den ich jemals hatte, bin ich S. im Nachhinein sehr dankbar für diesen Tipp…

So belegte ich im folgenden Jahr nicht nur diese Selbstfindungs-Fortbildungsreihe – und in dem ich mich mit den Tiefen & Untiefen meiner Gefühle, Gedanken und Befindlichkeiten auseinandersetzte, fand ich dort, für mich völlig unerwartet, obwohl der Begriff Selbstindung das natürlich impliziert, Frieden mit mir selbst. Denn obwohl mir zwar aufgrund der Fortbildungsreihe natürlich weniger Urlaubstage & Geld für meine sonstigen Urlaubsreisen blieb, hatte ich andererseits auch gar nicht mehr das Bedürfnis, andauernd in der Welt herumfahren zu müssen. Ja natürlich ist es nach wie vor nett, gelegentlich mal aus seinem eigenen Saft herauzukommen, aber es tut auch gut, es nicht immer zu müssen…

Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass ich zuvor nur deshalb so oft unterwegs gewesen war, weil ich mit mir selbst nicht im Reinen gewesen war. So hatte ich gehofft, auf all den Reisen durch die Welt irgendwo das Gefühl von Angekommen- und Angenommensein zu finden, das mir fehlte. Ohne es aber jemals dort gesucht zu haben, wo man es mit ein wenig Überlegung hätte als erstes vermuten können: Nämlich in mir selbst.

So ähnlich, wie es auch schon der gute alte Goethe in seiem Vierzeiler Erinnerung formulierte:

„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.
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Guten Morgen, liebe Sorgen…

1 Mai

„Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen, na dann ist ja alles klar.“ So begrüßte vor Jahren bzw. Jahrzehnten ein deutscher Sänger (ich glaube Jürgen von der Lippe war’s) seine ihn ständig begleitenden Sorgen.

 Behandeln und begrüßen Sie Ihre sorgenvollen Begleiter oder alles was Sie sonst bekümmert oder beschäftigt auch so liebevoll? Vermutlich eher nicht, wer tut das schon? Vermutlich sind sie den meisten von uns eher lästig, denn wer lässt sich schon gerne in seinem Alltag „stören“? Wer kann schon Sorgen gebrauchen, insbesondere in einer Zeit wie der jetzigen, mit seinen schnelllebigen Veränderungen und Anforderungen?

Sorgen stören mich nur in meiner Kreativität und meinem Schaffen, deshalb will ich Sorgen im Moment am besten loslassen, damit ich Platz habe für Neues und Lebendiges. Diesbezüglich spricht ja sogar unsere deutsche Sprache Bände: Be-sorgt sein, sich um etwas sorgen, für etwas Sorge tragen…

 Ja, manchmal trägt man schwer an seinen Sorgen, nicht umsonst fühlt man sich dann be-Last-et… Ja, täte es nicht gut, seine Sorgen, seine Lasten einfach nur mal für einen Moment loslassen zu können?
Ja, das tut es, und letztendlich ist es gar nicht so schwer.

Eigentlich ist es sogar so einfach wie das Atmen:

  • Ausatmen ist Loslassen – nicht nur verbrauchte Luft lässt man mit dem Ausatmen los (denn sonst vergiftet das angesammelte CO2 den Körper und den Geist), sondern auch alles andere Verbrauchte, Störende oder Belastende.
  • Dann ist erstmal Stille, Pause. Der Atem sammelt sich.
  • Mit dem Einatmen (das übrigens von ganz alleine passiert, ohne unser Zutun) schöpfen wir neben dem Sauerstoff für unsere Zellen auch Kraft für neue Impulse – nicht umsonst heißt Einatmen auf lateinisch auch Inspiratio(n).

Darum: Achte auf Deinen Atem, denn er verbindet Dich mit dem Hier & Jetzt. Achte auch auf Deine Gedanken, denn – so sagt ein asiatisches Sprichwort – sie werden Worte. Achte auf Deine Worte, sie werden Taten. Achte auf Deine Taten, sie werden Gewohnheit…

Der Atem bringt uns Lösung, Loslassen und Leichtigkeit. Trotz aller Sorgen, Traurigkeit, Ent-Täuschung, Ärger, Ängste (kommt das eigentlich von Enge?), atme ich immer weiter. Ich atme und nehme wahr. Ich bleibe aufrecht, dann klappt das auch mit dem Atmen besser. Aufrecht – und aufrichtig. 

Also, passend zum Motto „Alles neu macht der Mai“: Seien Sie unbe-sorgt – und atmen Sie erstmal tief ein und wieder aus!