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Der Schmetterling

12 Mär

Diesen Beitrag hielt ich am 11.03.2019- so oder so ähnlich – in freier Rede im Speakers Corner München Toastmasters Club:

Manchmal, wenn ich ganz still und leise im Garten auf einer Bank in der Sonne sitze und die Leichtigkeit des Seins genieße, setzt sich mit sanftem Flügelschlag ein Schmetterling auf meinen Arm. Ich liebe es einfach, wenn die Leichtigkeit des Flügelschlags über meine Haut dahinhaucht.

Dann kommt es mir so vor als wollte er ein Geheimnis mit mir teilen und mich mit seinem sanften Geflatter davon überzeugen, wie einfach das Leben sein kann.

Leider sind diese Momente, in denen ich ganz still bin, extrem selten und mein Schmetterling ist auch nicht immer mein Freund. Im Gegenteil – denn auf der anderen Seite gibt es dann auch diese Momente, wenn der Schmetterling sich mit festem Griff einem Raubvogel gleich auf meinen Nacken stürzt, mein Lebensgefühl beschwert – und mir den Boden unter den Füßen wegzieht.

In so einer Situation ertappte ich mich neulich bei einem neuen Gedanken:
Während ich so spazieren ging, dachte ich: „Es wäre doch jetzt eigentlich ganz praktisch, wenn ich von einem Auto überfahren werde.“

PAUSE – SACKEN LASSEN

Während die Tragweite dieses Gedankens tropfenweise in mein Bewusstsein durchsickerte, begannen gleichzeitig meine Alarmglocken zu schrillen – und ich erkannte: Es ist höchste Zeit, mir Hilfe zu suchen. Denn dieser Gedanke war der Schrei meines Schmetterlings um Hilfe.

Wir alle haben so einen Schmetterling. Dieser Schmetterling, der unser aller Leben beeinflusst und mit Leichtigkeit oder Schwere versieht, sitzt in unserem Hals. Es ist die Schilddrüse.
Kaum jemand kennt dieses kleine unauffällige Organ, und doch übernimmt es so wichtige Funktionen mit so weitreichenden Konsequenzen für unser Wohlbefinden. Die Schilddrüse steuert unseren Stoffwechsel, das Gewicht, das Temperaturempfinden, unsere Stimmung und insgesamt unser Lebensgefühl.

Was wenige wissen ist, das eine Schilddrüsen-Unterfunktion – also wenn die Schilddrüse zu wenige Hormone produziert – ähnliche Symptome verursacht wie eine Depression. Es ist dann alles im Leben so, ob jemand auf der Bremse stehen würde: Der Stoffwechsel arbeitet extrem langsam, Nahrung wird nicht gut verdaut und setzt sich stattdessen auf die Hüften. Man friert sehr leicht und auch sonst ist das Leben eher schwer, gebremst und trübe.

Manchmal verordnen Ärzte aufgrund der Depressions-ähnlichen Beschwerden Antidepressiva. Das nützt nur nichts, wenn die Ursache eine andere ist. Was kann man nun also tun, wenn man – egal aus welchem Grund – das Gefühl hat, in einer hohen dunklen Schlucht zu sitzen und den Ausweg nicht zu sehen?

  1. Such Dir Hilfe – und zwar schnell. Das kann, für eine gute und gründliche Untersuchung nach körperlichen Ursachen, ein Arzt sein, und genauso kann ein vertrauensvolles, ehrliches Gespräch mit einer Person Deines Vertrauens dazu beitragen, dass Deine gefühlte Last nur noch die Hälfte ist.
  2. Umgib Dich mit was Schönem, etwas Buntem – hör eine schöne Musik, eine die Leichtigkeit verströmt oder die Dich aufbaut und
  3. erinnere Dich – an einen Schmetterling.

Denn der Schmetterling erinnert MICH in diesen Momenten noch an etwas anderes: Nämlich, dass der Schmetterling eigentlich ein ganz phantastisches Tierchen ist. In seiner jugendlichen Form ist er nämlich eine Raupe, so ein kleines haariges, am Boden kriechendes Etwas. Und doch wird in der erwachsenen Form etwas so schönes, buntes daraus wie ein Schmetterling. In der Zeit dazwischen, auch Metamorphose genannt, durchläuft er das Stadium als Puppe. In dieser Zeit ist das Tierchen weder Raupe, noch Schmetterling, sondern sprichwörtliche braune, undefinierbare Masse. Und dennoch wird mit der Zeit daraus etwas so Wunderschönes wie ein Schmetterling!

Diesen Gedanken habe ich ganz ganz tief in mir abgespeichert – damit ich mich jedes Mal daran erinnern kann, wenn mich der Greifvogel im Griff hat oder ich mich in Veränderungssituationen fühle wie undefinierbare braune Masse, aus der ich gerade keinen Ausweg weiss und die mich nach unten zieht.

Denn der Schmetterling erinnert mich daran, dass nach der Zeit dieser Veränderung wenn der Schmetterling schlüpft und seine Flügelchen reckt und streckt – dass das Leben weitergeht und mit welcher Schönheit, Anmut und Leichtigkeit er anschließend mit sanftem Flügelschlag durch sein Leben flattert. So  lass Dir von ihm das Geheimnis der Leichtigkeit erzählen.

Als weiterführende Literatur zum Thema Schilddrüse empfehle ich das Buch „Die Schilddrüse: Funktionsstörungen ganzheitlich begegnen„* meiner geschätzten Kollegin Sabine Hauswald.

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Photocredits: CC BY-SA 3.0, by Beentree https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=737211

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Sprachlos

1 Mai

Diesen Beitrag hielt ich am 26.04.2018 in freier Rede, so oder so ähnlich, im Toastmasters Club Speakers Corner in München:

Als ich klein war, war mein Leben sehr digital. Natürlich war das vor 30 Jahren mit Computern & Smartphones noch nicht so verbreitet wie heute. Aber zumindest was Sprache und Kommunikation betraf, gab es bei uns zu Hause nur 0 oder 1. Was Diskussionen und verschiedene Meinungen anging, gab es nur schwarz oder weiß, richtig und falsch, Friede-Freude-Eierkuchen oder totale Eskalation.

Mein Vater wurde häufig sehr laut, wenn er sich unter Druck gesetzt fühlte. Als Kind machte mir das Angst, so dass ich mich nie traute, meine Meinung zu äußern, vor allem nicht, wenn sie anders war als seine.

In der Schule hasste ich es Aufsätze zu schreiben. Denn für vieles hatte ich einfach keine Worte, und ich war es ja nicht gewohnt, eine eigene Meinung zu haben. Selten hatte ich das Gefühl, genau das ausdrücken zu können was ich fühlte oder dachte. So fühlte ich mich oft unverstanden.

Nicht nur in Bezug auf Arbeit oder Sport fiel es mir schwer, das richtige Maß zwischen „zu viel“ oder „zu wenig“ zu finden, sondern auch im Hinblick auf meine Kommunikation. Entweder wurde ich nicht verstanden, weil ich mich überhaupt nicht traute, meine Meinung zu sagen, oder wenn ich es dann tat, formulierte ich Kritik so weichgespült, dass meine Position nicht klar war – oder ich wartete so lange damit, meine Befindlichkeiten zu äußern, bis diese quasi wie ein Vulkanausbruch aus mir herausquollen, und mein Gegenüber in Schutt und Asche zurück ließen. Was mir also fehlte, waren die Zwischentöne, denn die hatte ich Zeit meines Lebens nie gehört.

Erst im Laufe der Zeit, als ich anfing auch mich selbst besser zu verstehen, lernte ich es, die Zwischentöne wahrzunehmen – meine und die der anderen. Kurze Zeit später begann ich, einen Blog zu schreiben (diesen hier :-)). Ich fand Freude daran, meine Gedanken in Worte, kurze Texte und Gedichte zu verpacken. Ein paar Jahre später habe ich sogar mein erstes Buch veröffentlicht. Ich, die Zeit ihres Lebens Aufsätze schreiben gehasst hatte!

Seit ich vor vier Jahren bei den Toastmastern angefangen habe, fällt es mir zunehmend leichter, Worte für meine Gedanken und Gefühle zu finden und kann diese nun auch immer besser mündlich zum Ausdruck bringen – auch für die Zwischentöne. Nach wie vor arbeite ich daran, diesen zunehmend mehr Klarheit und Präzision zu geben.

Die zahlreichen Gelegenheiten auf der Bühne, v. a. in meinen Ämtern als VP-E und aktuell als Präsidentin, und natürlich v. a. das Feedback, das ich von Euch erhalten habe, haben meine Selbstsicherheit und meinen Mut gesteigert, auch persönliche Dinge von mir preiszugeben.

Ich bin euch sehr dankbar für die Begleitung und eure Unterstützung auf meinem Weg, heraus aus der Sprachlosigkeit in den authentischen Selbstausdruck. Natürlich gibt es auch immer mal wieder noch Situationen, die mich fassungs- und sprachlos machen. Dann heißt es: Zurück auf Los – passend zum neuen Eisbrecher.

Dass ich auf dem Area Wettbewerb vor 4 Wochen den dritten Preis gewonnen habe, hätte ich mir vor vier Jahren nicht träumen lassen. Leider hat es einen Nachteil: es macht süchtig nach mehr. Und so freue ich mich darauf, wenn ihr mich auch weiterhin mit Eurem Feedback unterstützt.

Mein Ziel ist die ganz große Bühne.

Fifty shades of …

17 Dez 50 shades of fall – Schönbrunn im Herbst

…Fall

50 shades of fall – Schönbrunn im Herbst

Abb. 1: 50 Shades of Fall – Schönbrunn im Herbst

Vor gut einem Monat – es war noch Laub auf den Bäumen und noch nicht so kalt wie jetzt – war ich auf einem Kurztrip in Wien und ging im Park von Schloss Schönbrunn spazieren. Was soll ich sagen? Als Natur-Freak konnte ich mich regelrecht begeistern an der herbstlichen Farbpracht, die sich mir bot: Die vielen ver-schiedenfarbigen Blätter, die an den ordentlich zurecht­gestutzten Bäumen hingen, leuchteten um die Wette.

So erschienen mir die Alleen wie ein Regenbogen, dessen Farbspektrum sich freilich auf die gelb-orange-roten Farbtöne beschränkte, in Abhängigkeit von Baumsorte und Sonnenstrahlung. Mir ging das Herz auf.

… Spring

Frühling auf dem Jakobsweg

Abb. 2: 50 Shades of Green – Frühling auf dem Jakobsweg

Genauso erfreuen konnte ich mich auch an der Farbpracht, die mir auf einem meiner monat-lichen Pilgertage LeerLauf für den Kopf auf einem der Münchner Jakobswege entgegen-strahlte.

Das war im Frühjahr, und das frühlingsfrische Grün der Bäume leuchtete um die Wette mit der Sonne – und weil die sich gerade hinter den Wolken versteckte, hat das leuchtende Grün in all seinen Schattierungen sogar auch gewonnen.

… Sky

50 shades of Sky

Abb. 3: 50 Shades of Sky – Wetter-Wolken-Meer

Faszinierend auch dieser Himmel über dem Atlantik auf Teneriffa. Mit den minütlich abwechselnden Grau-Blau-Tönen von Himmel und Meer bot sich dem Betrachter ein beeindruckendes Schauspiel. Warten auf den Regenschauer?

Der ließ jedoch auf sich warten – zumindest am Ort der Betrachtung jedenfalls. Eine gute Stunde nach dieser Auf-nahme waren die Wolken sogar bereits wieder verschwunden, und die Sonne strahlte für die nächsten paar Stunden was das Zeug hielt. Das nenne ich Wandlungsfähigkeit und Lebendigkeit.

Ein starkes Bild jedenfalls – auch wenn man für seinen Urlaub sicherlich ein strahlendes Blau vorziehen würde.

… Mind

Ich weiss nicht, wie es Dir, liebe Leserin, lieber Leser, beim Anblick dieser Auswahl an Bildern geht – ich finde die Vielfalt und die zahlreichen Farb-Schattierungen, die uns die Natur mit ihren unterschiedlichen Facetten zeigt, jedenfalls faszinierend. Ich werde auch nicht müde, mich immer wieder daran zu erfreuen.

Zwar bedarf es immer auch ein wenig Achtsamkeit, sich inmitten der Geschehnisse unseres Alltags an solch scheinbar kleinen Momenten erfreuen zu können. Für mich bedeuten diese Augenblicke jedes Mal einen Mini-Urlaub. Auszeit. Hier. Jetzt.

Gleichermaßen spannend finde ich es aber auch, wenn ich mir unsere Kommunikation anschaue. Obwohl es in letzter Zeit ja etwas en vogue geworden zu sein scheint, die Ereignisse dieser Welt oder deren Protagonisten etwas polarisierend darzustellen, finde ich: So einfach ist es nicht.
Auch wenn uns eine Einteilung von Sachverhalten in: Die Guten — die Bösen, richtig oder falsch, Ich/Wir — die anderen, meine Wahrheit vs. Dein Irrtum, Entweder — Oder, Zustimmung oder Widersprechen gewissermaßen eine Orientierung im Leben geben kann, wird es meiner Meinung nach der heutigen Lebensrealität nicht gerecht. Vielfalt & Lebendigkeit lassen sich halt viel besser in bunt oder in Sowohl-als-auch darstellen als in Schwarz-Weiss.

 

Meinungsverschiedenheiten

50 shades of Mind

Denn genauso kann es auch mein Leben bereichern, wenn ich in der Diskussion mit einem Menschen, der eine andere Einstellung hat als ich, versuche hinter das Schwarz & Weiss unserer Überzeugungen zu schauen, z.B. indem ich seine Grundannahmen erforsche. Oftmals lässt sich dabei auch eine gemeinsame Basis finden und es stellt sich heraus, dass der eine oder andere nur in seinen Schlussfolgerungen anders abgebogen ist.
Um wievieles leichter kann so ein Konsens werden, wenn nur noch die halbe Wegstrecke an Meinungsverschiedenheit überwunden werden kann!

 

 

 

Copyright:
Alle Bilder & Grafiken aus eigenem Bestand der Webseiten-Betreiberin (2016/2017)

Die drei Tanten

15 Aug

Diesen Beitrag hielt ich am 14.08.2017 in freier Rede, so oder so ähnlich, im Toastmasters Club Speakers Corner in München:

 

Liebe Toastmaster, liebe Gäste,

heute möchte ich Euch von meinen drei Tanten erzählen, namens Lizzy, Rita und Olivia, die lebten zusammen in einem Haus. Alle drei waren sehr freundlich und hilfsbereit zu jedermann. Meine Eltern sagten, sie seien alle auf eine sehr bodenständige Art und Weise intelligent. Bauernschläue sagten sie immer dazu. Mein Bruder und ich freuten uns als Kinder immer, wenn wir bei den Tanten zu Besuch waren – und das war ziemlich oft – denn sie erzählten uns immer lustige, phantasievolle Geschichten. Außerdem hatte jede von ihnen ein tolles Kuchenrezept, mit dem sie bei uns punkten konnten. Als wir klein waren, mochten mein Bruder und ich alle drei Tanten gleichermaßen gern. Das änderte sich allerdings, als wir beide älter wurden…

Ob es daran lag, dass die drei Tanten – jede auf ihre Weise – ein bisschen wunderlicher wurden oder wir beide älter wurden und über manche Dinge mehr nachdachten, lässt sich so im Nachhinein nicht mehr so genau sagen. Jedenfalls fiel uns auf, wie unterschiedlich die Tanten reagierten, wenn wir überschwänglich und begeistert von unseren Ideen, Plänen, Träumen erzählten. Denn natürlich waren unsere Ideen und Visionen in unserem jugendlichen Eifer manchmal eher von kurzer Dauer oder bei näherer Betrachtung nicht immer sehr schlau.

Wenn ich damals euphorisch von meinen – regelmäßig wechselnden – Berufswünschen erzählte, war Tante Lizzy meistens der Meinung, ich sollte ruhig alles auszuprobieren und viele Praktika machen, denn davon würde ich ja schließlich nicht dümmer. Keine unserer vielen Ideen schien ihr komisch oder kindisch oder zu phantasievoll. Sie war diejenige, die uns darin bestärkte, all unseren Interessen nachzugehen um zu schauen, was davon uns wirklich gefiele. So könnte ich mir eine eigene und fundierte Meinung bilden und am besten herausfinden, was mir am besten entsprechen würde. Regelmäßig vermittelte sie uns, dass jedes unserer Vorhaben grundsätzlich machbar wäre und fragte sie uns bei unserem nächsten Treffen, was wir von unseren Plänen umgesetzt hätten. Wenn es nicht so gelaufen war, wie wir es uns in unserem Eifer so ausgemalt hatten, lachte sie nicht etwa über uns, sondern ermunterte jeden von uns, zu schauen, zu überlegen, was gut gelaufen war und was wir andererseits vorher übersehen hatten und was wir daher beim nächsten Mal anders machen könnten. Dadurch fühlten wir uns ernst genommen von ihr und fühlten uns „erwachsen“. Außerdem waren wir motiviert, weiter zu denken und an der Umsetzung der diversen Vorhaben zu arbeiten.

Tante Olivia hingegen lachte oft über unsere Ideen. „Du musst zusehen, dass Du eine rote Linie in Deinem Lebenslauf hast“, riet sie mir in Bezug auf meine Berufswahl, „also mach‘ am besten was Seriöses, um Dein Geld zu verdienen.“ Dabei hatte sie aber schon sehr konkrete Vorstellungen, was dazu gut geeignet wäre und was nicht. „Wer braucht denn das schon? Das ist doch alles eine brotlose Kunst“, befand sie meinen Berufswunsch Schriftstellerin, den ich mit 13 zwischendurch mal hatte. „Was hast Du denn überhaupt schon zu sagen?“, fragte sie damals.
Ich fühlte mich damals wie der größte Idiot, so als ob ich keine Ahnung hätte und befürchtete ernsthaft, irgendwann mal unter einer Brücke zu enden. Selbstredend verfolgte ich den Berufswunsch der Schriftstellerin damals nicht weiter, sondern studierte erstmal was Seriöses: Wirtschaftsingenieurwesen.

Tante Rita hingegen war immer sehr realistisch, deshalb erklärte sie mir: „Es ist gut, große Träume und Ideen zu haben, wie Tante Lizzy Dich ermuntert. Gleichzeitig kann es dann leicht passieren, dass Du dabei zu hoch fliegst – und Dir wie in der Ikarussage die tragfähige Substanz wegschmilzt. Tante Olivia will Dich davor schützen, dass Du abstürzt, wenn es nicht so klappt, wie Du Dir vorgestellt hast. Vielleicht hat sie aber auch nur ein wenig Höhenangst“, fügte sie verschmitzt hinzu. Weil sie stets sehr betriebswirtschaftlich dachte, ergänzte sie: „Wenn Du aber ihre Einwendungen ernst nimmst, und über ihre Fragen ernsthaft nachdenkst, hast Du schon gleich einen guten Input für einen guten Business-Case. Schau am besten, ob Du nicht Menschen kennst, an denen Du Dich orientieren kannst.“

Liebe Toastmaster, liebe Gäste,

sicherlich fällt es Euch leicht, zu erraten, welche der drei Tanten wir lieber hatten. Leider war es nicht so leicht möglich, immer nur Lizzy oder Rita zu besuchen und nicht Olivia, denn sie wohnten ja im gleichen Haus.

Wie die Geschichte ausgegangen ist: Unter einer Brücke gelandet bin ich bislang nicht, aber immerhin habe ich schon fünf Bücher veröffentlicht. Auch wenn ich derzeit noch davon entfernt bin, vom Bücherschreiben leben zu können: Es ist immerhin ein netter Zuverdienst und schon mal ein guter Anfang.

Was Euch vielleicht an meiner Geschichte mehr überrascht ist: Mit Verwandten wie Lizzy und Olivia hatte jeder von uns schon zu tun. Denn Lizzy und Olivia sind zwei Instanzen in jedem von uns:
Lizzy repräsentiert den liebevollen, ermutigenden und visionären Anteil in uns, der uns hilft, unsere ehrgeizigen Pläne und Visionen strukturiert und zielstrebig zu verfolgen. Lizzy glaubt an sich selbst und an andere. Sie ermutigt jeden, für seine Wünsche und Träume einzustehen.

Olivia steht dagegen für unsere innere Kritikerin. Wenn wir zu sehr auf sie hören, fühlen wir uns unbedeutend, klein und wertlos. Wenn die Olivia in unserem Leben zu viel Raum einnimmt, kann das sogar so weit gehen, dass wir irgendwann selbst davon überzeugt sind, wert- oder nutzlos zu sein oder ein gutes, erfolgreiches Leben oder das Erreichen großartiger Ziele nicht verdient zu haben.

Rita steht für die Realistin. Sie verbindet die Visionärin und die Kritikerin in uns. Sie vereint das Großartige mit den Einwendungen zum Machbaren.

Deswegen: Nimm Dir regelmäßig ein bisschen Zeit für Dich und lausche Deinen inneren Stimmen. Pass darauf auf, mit welcher „Tante“ Du wieviel Zeit verbringst – denn egal, ob Du glaubst, Du schaffst etwas oder ob Du glaubst, Du schaffst eine Sache nicht: Du wirst immer recht haben!

Die weiße Linie

3 Jun

Neulich war ich mit dem Rad unterwegs in München. Auf einem dieser stinknormalen Radwege, bei denen der Fußweg vom Radweg durch eine weiße Linie abgetrennt ist. Es war samstags morgens um 9 Uhr und relativ wenig los auf Münchens Strassen.
Ich hatte es, nun ja, ein bißchen eilig.  Nicht übermäßig, aber ein wenig. So war ich etwas irritiert, als ich mich einem lauthals gestikulierenden Mitbürger näherte, der mitten auf „meinem“ Radweg mit seinem Handy telefonierte.

In meinem Kopf fanden sich Gedanken wieder, wie: „So ein Depp, muss der mitten auf dem Radweg stehen? Kann der nicht sich an die Spielregeln halten und auf dem Fußweg telefonieren?“ und ähnliche. Allesamt nicht besonders nett und ziemlich (ab)wertend. Vermutlich kennen Sie solche  Momente.

Während ich so diesen meinen Gedanken nach hing, schaute ich noch mal genau hin – und sah auf einmal folgendes Bild:

 

 

 

 

 

 

Ich bemerkte also, dass die weiße Linie, die eben noch vor meinen Augen den Fußweg vom Radweg abgetrennt hatte, eigentlich weggefräst worden war.  Ich hatte sie noch vor ein paar Minuten sonnenklar gesehen, obwohl sie eigentlich nicht mehr da war. Gleichzeitig hatte ich mich im Recht auf „meinem Radweg“ gewähnt, obwohl es eigentlich „sein Fußweg“ war, auf dem ich laut Verkehrsschild nur geduldet war.

Das zeigte mir,

  1. wie schnell wir doch über andere Menschen urteilen und glauben, im Recht zu sein
    und gleichzeitig erinnerte es mich
  2. daran, wieviele unsichtbare weiße Linien, Grenzen oder Glaubenssätze ich wohl noch in meinem Kopf habe, die ich für gültig halte, obwohl sie längst für ungültig erklärt oder aus anderen Gründen eigentlich gar nicht mehr vorhanden waren.

Das sind die „weißen Linien“, die Sie und ich häufig schon als Kind aufgemalt bekamen, und die wir immer und immer wieder zu hören bekamen und die wir deshalb auch heute noch befolgen, ohne sie zu hinterfragen. Häufig enthalten solche „weiße Linien“ die Formulierung: „Das muss man …, das macht man (oder macht man nicht)“ und so weiter. Vermutlich kennen Sie noch viele weitere Formulierungen…

Egal, welche es sind und worum es geht: Diese „weißen Linien“ in unserem Kopf fordern uns permanent auf, ob das, wovor sie uns ursprünglich schützen sollen (z. B. heißen Herdplatten, als Kind vom Auto überfahren zu werden etc.) auch heute noch eine Gefahr ist und wir uns bewußt dafür entscheiden können, diese Linie nach wie vor für gültig zu erklären. Oder ist diese „weiße Linie“ eigentlich überflüssig geworden, weil wir nun als Erwachsene einen neuen Horizont oder eine neue Perspektive darauf gewinnen konnten – und wir die damalige Gefahr heute eigentlich nur noch als „Randerscheinung des Lebens“ einstufen würden?

 

Also, wenn Ihnen das nächste mal auch eine vermeintliche weiße Linie begegnet – schauen Sie genau hin – und entscheiden Sie jedes Mal neu, ob diese Linie für Sie heute noch aktuell ist!

Ich wünsche Ihnen dabei viel Freude, Erkenntnisse und Gutes Gelingen!

Ihre Christina Bolte

Von Konzepten und was das mit dem Urlaub zu tun hat

5 Apr

Gehören Sie auch zu den Leuten, die (wie ich auch) gerne Konzepte machen?

Auch in meinem Umfeld höre ich immer wieder – vor allem während meiner Zeit als Angestellte hörte ich es sehr oft: „Schick mir mal das Konzept für…“ oder „Ich muss noch ein Konzept für mein neues  Seminar/Vortrag etc. machen“.  Ist doch alles ganz normal, oder? Vor allem, wenn man kreativ oder künstlerisch tätig ist, gehört das ja zum guten Umgangston.

Nun, eine neue Perspektive auf das Thema ‚Konzepte machen‘ gewann ich neulich während meines letzten Urlaubs. Die Betonung in meiner Eingangsfrage liegt nämlich nicht auf den Konzepten, sondern auf dem Wort machen.

Ich war in Spanien unterwegs, genauer gesagt, es war am 8. Dezember, einem gesetzlichen, katholischen Feiertag in Österreich und weiteren Ländern, darunter eben auch in Spanien, nämlich Mariä Empfängnis. (Es mag auch meiner protestantischen Erziehung geschuldet sein, dass ich diesen Feiertag nie so recht verstanden habe. Dank Wikipedia weiß ich nun, dass die Schwangerschaft sich nicht auf die Zeit bis zur Geburt Jesu an Weihnachten bezieht, sondern auf die Zeit bis zum Feiertag Mariä Geburt am 8. September).
Aber das nur nebenbei.

An meinem Urlaubsort jedenfalls lief an diesem Tag alle Welt in die große Kirche im Ort. Wie wir nach einer Weile feststellten, war diese Kirche eben genau dem Feiertag geweiht, nämlich Santa Maria Concepción (da in Spanien gefühlt jede zweite Frau Maria heißt, der Muttergottes zu Ehren, haben die meisten noch einen zweiten Vornamen, um diese zu spezifizieren).

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Concepción, oder auf Deutsch eben Empfängnis, auch die eines Kindes, ist nichts, was man aktiv machen, gestalten oder gar forcieren kann. Sondern ein Konzept ist etwas, das geschieht. Oder – wenn man so will – etwas, das vom Himmel fällt, oder noch anders ausgedrückt: Ein Akt der Gnade.

Das gilt natürlich entsprechend auch für Konzepte (oder was korrekter wäre: Konzeptionen*), denn die Begriffe leiten sich ja voneinander ab. Natürlich kann man sich hinsetzen, um gezielt über bestimmte Aufgaben- oder Fragestellungen nachzudenken.

Aber die richtig guten Geistesblitze hat man ja bekanntlich nicht am Schreibtisch, sondern erfahrungsgemäß eher unter der Dusche, auf dem Klo, beim Einkaufen oder beim Spazierengehen.

Loslassen. Aufhören zu wollen. Einen Schritt zurück machen.

Also, wenn Sie das nächste Mal krampfhaft auf der Suche nach einem neuen Konzept sind: Lassen Sie los. Hören Sie auf zu wollen. Machen Sie einen Schritt zurück. Gehen Sie aus dem (Schreibtisch-)Kontext. Gehen Sie Spazieren, am besten durch die Natur. Treffen Sie andere Menschen. Oder Meditieren Sie.

Dadurch schaffen Sie freien Raum in Ihrem Kopf, in dem etwas Neues entstehen und empfangen werden kann.

Bei der Problemlösung helfen kann auch eine Technik, die „Aus der Zukunft her führen“ heißt.
Im gleichnamigen Buch von C. Otto Scharmer erfahren Sie wie es geht.

Allerdings geht es erfahrungsgemäß leichter, sich anleiten zu lassen. Das nehme ich Ihnen gerne ab. Vereinbaren Sie gleich einen persönlichen Termin mit mir!

Zum Buch geht es hier:

Aus der Zukunft her führen“ von C. Otto Scharmer

 

 

* ein Konzept ist ja im eigentlichen Sinn ein eher abstrakter, philosophischer Begriff,
der nur im Umgangssprachlichen häufig für die konkretisierende Wortbedeutung Konzeption verwendet wird

Video

Metamorphose – Veränderung

17 Aug
Die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling – wie sie sehr schön in diesem Video von Terra X zu sehen ist – erklärt wie ich finde wunderbar, warum uns Transformation so schwer fällt.
Was wir für uns daraus ableiten können, ist:
1. Es braucht Geduld und Vertrauen – um die Phase zu überbrücken, in der „das Alte“ (die Raupe) nicht mehr passt und „das Neue“ (der Schmetterling) noch nicht seine Form gefunden hat, ja diese teilweise sogar noch nicht mal erkennbar ist.
2. Rückzug und Kraftschöpfen (in jeglicher Hinsicht) sind dabei ein guter Weg.
Viel Spass bei Eurer persönlichen Veränderung – auf dass Euch bald die Flügelchen trocken sind und ihr mit Leichtigkeit Eure neue Lebensphase genießt.

Vorsprung durch Technik?

3 Apr

Neulich war ich auf einer Veranstaltung, wo es darum ging, wie wir in Zukunft leben wollen. Natürlich lag der Schwerpunkt der Frage auf dem „WIE wollen wir in Zukunft leben?“ – und wie so ganz häufig wird man dann ganz schnell in Szenarios von hochtechnologisch ausgefeilten Visionen versetzt. Technischer Fortschritt par exellance. Virtual-Reality-Glasses oder Stichworte wie Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und ultimative Vernetzung werden genannt.

Ob diese Szenarien, sollten sie ganz oder nur in Teilen, irgendwann in ferner oder nicht mehr ganz so ferner Zukunft zur Realität werden, uns mit Freude, Begeisterung oder mit Angst erfüllen werden, ist sicherlich individuell unterschiedlich und hängt in hohem Maße davon ab, welches Menschenbild und welche Lebenseinstellung insgesamt jeder einzelne hat.

Was mich jedoch viel mehr beschäftigt – und es ist schade, dass dieser Aspekt auf Veranstaltungen wie die anfangs erwähnte meistens völlig ausser Acht bleibt – ist, dass man den Schwerpunkt der Frage genauso gut auf das WIR oder das LEBEN legen könnte, also: „Was bedeutet LEBEN in der Zukunft?“ oder: „Wer ist das WIR, das wir in Zukunft leben wollen?“

Denn wenn ich an die Zukunft denke, denke ich nicht darüber nach, ob mir sprechende und vernetzte Kühlschränke das Leben vereinfachen, wieviel komfortabler ….. Nein, mich interessiert viel mehr, wie wir Menschen miteinander umgehen, wenn sie in einem noch größeren Maße als heute schon eine Koexistenz mit Maschinen und technischen Geräten führen. Ist es ein empathischer, liebevoller Umgang oder einer eine Begegnung voll Misstrauen und gegenseitiger Kontrolle?
Mich interessiert, wer WIR sind. Besteht unsere Gesellschaft in der Zukunft nur aus Menschen, die ein gutes und uniformes Leben führen, in dem Menschen, die aus dem Rahmen fallen oder aus Gründen (Krankheit, Behinderung oder Armut beispielsweise), für die sie nichts können oder auch doch, durch das Raster fallen und ein Leben im Untergrund oder in Ungnade fristen müssen? George Orwell bezeichnete dies mit „gleicher als gleich“ sein. Oder ist unsere Zukunft groß genug für Menschen, in der sich jeder nach Gutdünken, Wissen und Gewissen entfalten und leben können wie sie möchten – und in der man sich dabei unterstützt und in der jeder dem anderen mit offenem Geist, offenem Herzen und Respekt begegnen kann?

Mich interessiert die Frage, wo ist mein Platz in dieser Welt, wenn bestimmte Tätigkeiten und Dienstleistungen von Maschinen übernommen wurden oder werden. Werde ich meine Träume realisieren und malen, schreiben, singen, tanzen und spazierengehen können? Oder werde ich ein Leben in Langeweile fristen, weil alle sinnvollen erscheinenden Berufstätigkeiten nur noch durch Maschinen mit künstlicher Intelligenz ausgeführt werden dürfen (u. a. weil menschliche Arbeit zu teuer geworden ist)? Oder werde ich womöglich nur noch ein Sklave dieser technischen, überlegenen Spezies sein?

Und schliesslich bewegt mich noch die Frage, ob es in ferner Zukunft überhaupt noch Menschen auf diesem Planeten geben wird – oder sind wir gerade auf dem besten Weg uns selbst überflüssig zu machen und abzuschaffen? Getreu dem Motto des Witzes:

„Treffen sich zwei Planeten. Fragt der eine: ‚Wie gehts dir?‘, antwortet der andere: ‚Schlecht, ich hab Menschen.‘ Darauf tröstet ihn wiederum der eine: ‚Ach, keine Sorge, das geht vorbei.‘ „

Was bewegt Sie, wenn die an die Zukunft denken – welche Szenarien wünschen Sie sich?
Ich freue mich auf Ihre Beiträge.

Ihre
Christina Bolte

Eindrücke vom Camino (2): Mit dem Finger auf der Landkarte

29 Jul

Diesen Beitrag hielt ich (so oder so ähnlich) in freier Rede am 29.07.2015 bei den ToastMastern, Speakers Corner in München:

Reisen ist schön. Deshalb tue ich es auch sehr gerne. Gerade komme ich zurück von meiner Tour mit dem Fahrrad auf dem – wie sollte es bei mir anders sein? – Jakobsweg. Und zwar dem Streckenabschnitt von München bis an den Bodensee. Wir sind direkt von der Haustür aus weggeradelt!

Ich muss sagen, für mich ist Reisen immer doppelt schön, denn die Reise beginnt bei mir schon mit der Vorbereitung. Vor allem bei Wander- oder Radtouren wird der Urlaub geradezu minutiös ausgeplant. Wie viele Kilometer, wo wird übernachtet, und so weiter. Kennt ihr das? Macht das von Euch auch jemand so? Wem von Euch geht es ähnlich?

Dann könnt ihr ja gut nachvollziehen, wieviel Freude – vor allem Vor-Freude – es macht, sich die Höhenprofile anzuschauen sowie die Etappenbeschreibung und die der Zielorte durchzulesen. Fast ist es, als wäre man schon unterwegs und auch schon fast am Ziel.

 

Dennoch war beim Reisen selbst, beim Radfahren dann alles anders. Denn in keinem Reiseführer steht, wie es sich anfühlt, stundenlang das Gewicht seines Rucksacks auf den Schultern zu spüren. Oder wie extra-anstrengend es ist, bei über 35 Grad in praller Sonne zu fahren. Zwar war die enorme Hitze nicht wirklich überraschend, weil das Wetter ja entsprechend vorher gesagt war. Dennoch war es einfach wunderbar, bei der Affenhitze den kühlen Fahrtwind auf der Haut zu spüren, das kann einem keine Planung ermöglichen.

Aber: Beim Reisen selbst war dann auch alles anders als in der Theorie, weil auf keiner Landkarte eingezeichnet war, an welchen Streckenabschnitten das Zwitschern der Vögel oder das Muhen der Kühe zu hören war. Könnt ihr es hören?

Und die Gerüche erst, auch die waren nirgendwo verzeichnet. Aber dennoch: ein Traum! Ich liebe es einfach, wenn es nach Sommer riecht! Nach frisch gemähtem Heu an einem Ort, oder ein paar Kilometer weiter im Wald, wo es so schön nach frisch geschlagenem Holz roch.

Letztendlich ist es aber mit dem Reisen wie mit allem im Leben, egal ob es berufliche Projekte oder Ziele sind oder private: Man wird niemals dort hinkommen, indem man davon träumt oder es plant, so lange man sich nicht auf den Weg macht.

Willkommen zu Hause

2 Feb

Stellen Sie sich vor, Sie möchten abends mal ausgehen – und engagieren zur Betreuung Ihres Kindes einen Babysitter. Dieser hat eine glänzende Reputation, ist intelligent und macht einen gepflegten Eindruck. Guten Gewissens gehen Sie aus dem Haus und machen sich einen schönen Abend.

Als Sie nach Hause kommen, haben Sie eine komische Vorahnung. Schon von weitem bemerken Sie, dass in Ihrem Haus überall das Licht brennt und hören, dass laute Musik spielt. Als Sie auf Ihr Grundstück fahren, sehen Sie, dass Ihre Haustür sperrangelweit offen steht. Als Sie das Haus betreten, der nächste Schock: Im Wohnzimmer sind alle Fenster geöffnet, die Vorhänge wehen nach außen. Alle Stühle wie auch andere Möbel liegen umgekippt am Boden, auch die Blumentöpfe, deren Erde nun auf dem Teppich verteilt ist. Im Bad läuft non-stop der Wasserhahn, zum Glück funktioniert der Überlauf einwandfrei. In der Küche sind sämtliche Töpfe und Schubladen ausge- räumt und der Inhalt über den gesamten Boden verteilt, ebenso wie die Reste dessen, was vor Ihrem Aufbruch noch im Kühlschrank war. Was ist los, ein Einbruch?

Als Sie die Treppe hinaufgehen, hört der Alptraum nicht auf – im Gegenteil. In Ihrem Schlafzimmer sind die Schränke aufgerissen und die Kleider liegen am Boden verstreut. Überalle finden Sie leere Bierflaschen und volle Aschenbecher vor. Im Kinderzimmer ein ähnliches Bild – dazu sehen Sie Ihr Kind und den Babysitter, wie diese begleitet von lauter Hardrock-Musik auf dem Bett herumhüpfen, beide gekleidet in Ihren glitzernden Party- und Ausgehklamotten und mit einer Flasche Bier in der Hand.

„Oh je“, werden Sie vielleicht denken, „Was soll man dazu nur sagen, da fehlen mir echt die Worte.“ Und die Worte, die Ihnen möglicherweise als erstes in den Sinn kommen, gehen vermutlich in die Richtung: „Unverschämtheit“, „Wie kann der [Babysitter] sich nur so verhalten?“ oder „…
Die Rechtsanwälte unter Ihnen werden vielleicht noch ergänzen: „Den [Babysitter] werde ich verklagen!“

Ihr Ärger wäre verständlich – ich wäre auch ziemlich wütend, wenn jemand so mit dem ihm anvertrauten Hab & Gut und vor allem mit meinem Kind umginge! Denn immerhin kommt das Wort ‚anvertrauen‘ von Vertrauen, und das ist in diesem Gedankenspiel arg mißbraucht worden.

Doch wenn wir ehrlich sind, wir als Menschheit, gehen wir besser mit der uns anvertrauten Erde um, dem Erbe unserer Kinder? Wir Menschen halten uns für die Krone der Schöpfung, und vergessen dabei, dass die Krone wertlos ist, wenn es keinen Kopf gibt, der sie trägt. Oder der Kopf nur noch ein Totenschädel seiner selbst ist.

Und so bedienen wir uns der Schätze und Rohstoffe der Erde (Kühlschrank), fällen den Regenwald (das Mobiliar), vergeuden sinnlos das Trinkwasser und Energie und hinterlassen überall unseren Müll – und das alles nur um uns zu vergnügen (Partyklamotten).

Um noch mal auf den Babysitter zurückzukommen: Wie würden Sie sich wünschen, dass er mit Ihrem Kind (und Ihrem Haus) umgeht – sicherlich pfleglich, sorgsam und liebevoll. Und vermutlich wären Sie auch nicht traurig, wenn er nebenbei auch noch staubsaugen oder das Badezimmer putzen würde, oder? (Zumindest ginge es mir so…)
Wie wäre es, wenn wir beginnen würden, so auf und mit der uns überlassenen Erde umzugehen? Sie in einem besseren Zustand hinterlassen als wir sie vorfinden? Und vor allem mit uns selbst und miteinander umzugehen? Ich finde, das käme dem Paradies auf Erden schon recht nahe.

Pflegen wir es also!

Paradiesische Grüsse sendet Ihnen

Ihre Christina Bolte